Abstract (deu)
Der 1909 gegründete S.C. Hakoah Wien spielte in seiner Blütezeit eine wichtige Rolle im österreichischen Sportgeschehen, doch war er mehr als bloß einer von vielen erfolgreichen Sportvereinen dieser Zeit. Aus Sicht der Gründungsmitglieder sollte durch die Aktivitäten des Verein einerseits das Selbstbewusstsein der jüdischen Bevölkerung gestärkt werden, andererseits aber auch das Bild innerhalb der Mehrheitsgesellschaft gerade gerückt und den antisemitischen Vorurteilen entgegengewirkt werden. So wurde bei der Gründung unter anderem das Ziel formuliert, zu beweisen, dass „Juden in der Körperkraft und in der Fähigkeit zum allseitig gebildeten Menschen anderen Teilen der Bevölkerung nicht nachstehen“ (Bunzl 1987b: 24).
Heute ist der S.C. Hakoah Wien Treffpunkt sowohl für jüdische als auch nichtjüdische Menschen. Die Aufgaben und Ziele, die der Verein in den Augen seiner Mitglieder heute zu erfüllen hat, werden im Rahmen dieser Arbeit untersucht.
Um dies zu bewerkstelligen, wird zunächst auf Konzepte des Zusammenlebens zwischen Mehrheits- und Minderheitsgruppe in einer Gesellschaft eingegangen. Damit geht die Betrachtung von Identitätskonzepten einher. Auch die Rolle des Sports in der Gesellschaft wird in diesem Zusammenhang diskutiert.
Die Beziehung zwischen jüdischer und nichtjüdischer Bevölkerung in Wien ist natürlich stark von den historischen Entwicklungen abhängig, schließlich kann auch die Gründung des Vereins als Reaktion auf gesellschaftliche Gegebenheiten gesehen werden. Im Rahmen dieser Arbeit wird daher vor allem die Zeit rund um die Gründung des Vereins mit ihren Voraussetzungen für das jüdische Leben in Wien näher betrachtet.
Die Situation der jüdischen Bevölkerung hat sich in den letzten 100 Jahren stark verändert. Dies lässt den Schluss zu, dass sich auch die Aufgaben des Vereins geändert haben. Inwieweit dies der Fall ist, wird im Rahmen des empirischen Teils dieser Diplomarbeit erläutert.
Dazu wurden in der qualitativen Untersuchungsphase sowohl gegenwärtige aktive Mitglieder des Vereins, als auch ehemalige Mitglieder, die während der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg im Verein aktiv waren, mittels Leitfadeninterviews befragt. Deren Antworten trugen einerseits einen Teil dazu bei, das Gesamtbild des Vereins facettenreich darstellen zu können, andererseits dienten sie zusammen mit den Ergebnissen aus der Literaturrecherche der Generierung interessanter Fragestellungen, die im quantitativen Abschnitt dieser Arbeit dargestellt werden.
Die aus den Fragestellungen entwickelten Hypothesen wurden mit Hilfe hochgradig standardisierter Interviews auf ihre Signifikanz getestet. So wurden zum Beispiel Aufgaben und Ziele formuliert, die der Verein für seine derzeitigen Mitglieder haben könnte beziehungsweise sollte. Anhand dieser Aufgaben und Ziele kann das Antwortverhalten verschiedener Gruppen verglichen werden, so etwa der jüdischen und der nichtjüdischen oder der älteren und der jüngeren Mitglieder Die Auswertung und Interpretation sowie die Zusammenfassung der Ergebnisse bilden den Abschluss dieser Arbeit.