Abstract (deu)
Die vorliegende Diplomarbeit hat sich zum Ziel gesetzt, den Entstehungsprozess von Kriminalromanen, welche von zwei Co-Autoren verfasst wurden, darzustellen. Dabei sollen sowohl die individuellen Prozesse veranschaulicht werden als auch jene Schritte, die die beiden Schriftsteller gemeinsam bewältigen müssen (wie zum Beispiel Diskussionen über den tatsächlichen Handlungsverlauf, Aufteilung der Kapitel etc.).
Im Zentrum der sprachwissenschaftlichen Instrumente, die dazu benötigt werden, steht das prozedurale Textmodell von Robert-Alain de Beaugrande und Wolfgang Dressler; dieses Modell versteht jedwede Art von Text (nicht nur den schriftlich, sondern auch den mündlich produzierten) als ein im mentalen Prozess entstandenes Produkt. Beaugrande und Dressler definieren fünf Stadien, in denen jeweils ein besonderer Aspekt im Vordergrund steht: die Planung, Ideation, Ausdruck, Entwicklung und grammatikalische Synthese . Sind nun zwei Schriftsteller an der Entstehung eines Romanes beteiligt, gilt es, auch die organisatorischen Arbeiten, die nur in Form von Diskussionen abgewickelt werden können, zu berücksichtigen. Diese organisatorischen Aufgaben führen dazu, dass die kommunikative Ebene sich im Entstehungsprozess des Romans erweitert. Wenn laut Jakobson’sches Kommunikationsmodell Sender, Botschaft und Empfänger an jeder Form von Kommunikation teilhaben, so sind in Hinblick auf Literatur diese drei Komponenten gleichzusetzen mit dem Schriftsteller, Roman und Rezipient. Das prozedurale Textmodell von Beaugrande und Dressler bezieht auch den Rezipienten mit ein und erschafft somit ein Textmodell, welches sowohl die mentalen Prozesse des Textproduzenten als auch jene des Textrezipienten miteinschließt. Für die vorliegende Diplomarbeit liegt der Schwerpunkt jedoch auf der Beziehung zwischen dem Textproduzenten und dem Text selbst. Diese verkompliziert sich beim Auftreten eines zweiten Schriftstellers, der am selben Text mitarbeitet. Somit entsteht eine neue komunikative Ebene, die sich allerdings auf die Verständigung zwischen den Autoren und deren Auswirkung auf die Textentstehung und dem schließlich vorliegenden Roman konzentriert.
Zur Untersuchung dieses intensiven Prozesses der Verfassung eines literarischen Werkes, wurden die Kriminalromane "Quattro gocce d’acqua piovana" von Piero Colaprico und Pietro Valpreda und "Macaronì. Romanzo di santi e delinquenti" von Francesco Guccini und Loriano Macchiavelli ausgewählt. Die Autoren Colaprico, Guccini und Macchiavelli wurden zur Thematik des „vierhändigen Schreibens“ interviewt, um Bestätigungen über die theoretischen Modelle einzuholen. Die Zusammenfassungen der Interviews sowie die Präsentation der wichtigsten Kriminalromane, die von diesen Schriftstellerpaaren verfasst wurden, bilden daher einen wichtigen Anhaltspunkt im Gesamtzusammenhang der vorliegenden Diplomarbeit.
Des Weiteren beschäftigt sich ein Kapitel mit Stilanalysen der Kriminalromane, wobei jeweils andere Werke derselben Autoren die Basis zum Vergleichen und Feststellen von tatsächlich individuellen Stilzügen dienen: somit bildet die zusätzliche Analyse von La quinta stagione die Grundvoraussetzung, um individuelle Stilmerkmale Piero Colapricos zu definieren; dieselben Aufgaben erfüllen die Romane "Cròniche epafániche" von Francesco Guccini und "Ombre sotto i portici" von Loriano Macchiavelli. Die Stilanalysen stellen den literaturwissenschaftlichen Zugang zur Thematik des Schreibprozesses zu vier Händen dar, denn auch die Textoberfläche, wie sie dem Leser präsentiert wird, beinhaltet bei einer detaillierten Untersuchung aussagekräftige Hinweise über die Arbeitsweisen der Schriftsteller, die auch anhand des Sprachstils (zu dem auch die Auswahl der Stilmittel gehört) wie auch der allgemeinen Textstruktur ersichtlich werden. Die vorliegende Arbeit eint somit sprach- und literaturwissenschaftliche Zugänge zur Thematik des italienischen Kriminalromans zu vier Händen.
Der Epilog der vorliegenden Diplomarbeit zieht Bilanz aus den bis dahin aufgestellten Hypothesen und versucht, diese in Grafiken darzustellen. Das prozedurale Textmodell über die Entstehung von Texten von Beaugrande und Dressler, das Kommunikationsmodell von Jakobson sowie die Erkenntnisse aus den Stilanalysen bilden dabei die wissenschaftlichen Grundpfeiler.