Abstract (deu)
Die Elektronikindustrie vertraut heutzutage auf komplexe Produktionsabläufe (z.B. BGA Aufbauten, SMT) und auf hohe Anschlussdichten bei gleichzeitig hohen Qualitätsansprüchen. Die Qualität von Lötverbindungen ist ein zentrales Thema, und daher ist es unerlässlich, die Bildung intermetallischer Verbindungen in einer Lötstelle zu verstehen und zu beherrschen.
Das System Ni-P-Sn hat große technologsiche Bedeutung, da es die wissenschaftliche Grundlage für das Verständnis, die Interpretation und Beherrschung der Verbindungsbildung zwischen Ni(P)/Au Oberflächen und Sn-basierten Loten liefert. Durch die Umstellung auf bleifreie Lote hat dieses System nochmals an Bedeutung gewonnen, da die verwendeten bleifreien Lote einen weit höheren Sn-Gehalt haben.
In der vorliegenden Arbeit wurden die Systeme Ni-P und Ni-P-Sn mittels Röntgenbeugung, Elektronenmikroskopie (mit Elektronenstrahlmikrosonde) und Differenzthermoanalyse untersucht. Das Ni-P Phasendiagramm erfuhr zwar keine grundlegenden Änderungen, wurde aber in Bezug auf zahlreiche Details gemäß den neuen Daten gründlich überarbeitet. Für die Verbindungen Ni5P2 HT und Ni12P5 HT wurden signifikante Phasenbreiten gefunden, und im Gegensatz zur vorhandenen Literatur wurde Ni12P5 HT als kongruent schmelzende Verbindung interpretiert. Dies muss jedoch allein auf Daten aus DTA-Messungen beruhen, da keine der beiden HT-Phasen durch Abschrecken bei Raumtemperatur stabilisiert werden kann, was gut mit Berichten aus der Literatur übereinstimmt. Weiters wurde eine peritektische Bildung von Ni5P4 gemäß L + Ni2P = Ni5P4 gefunden, was eine Änderung gegenüber der Literatur bedeutet. Im Mittelteil des Phasendiagramms wurden außerdem die Temperaturen von invarianten Reaktionen mittels DTA bestimmt.
Im ternären System Ni-P-Sn wurden ausgehend von den XRD und EPMA Daten vier Isothermen bei 200, 550, 700 und 850 °C erstellt. Invariante Reaktionen und die Reaktionstemperaturen wurden aus den DTA Messungen abgeleitet. Drei Isoplethen (vertikale Schnitte), die Liquidus-Oberfläche und das Scheil-Diagramm für den Ni-reichen Teil wurden unter Berücksichtigung aller Ergebnisse erstellt.
Fünf ternäre Verbindungen existieren im Ni-P-Sn System, von denen vier in der Literatur beschrieben worden sind. Ni21P6Sn2 wurde während der Arbeit am ternären Phasendiagramm entdeckt. Die Kristallstruktur dieser Verbindung wurde mittels Einkristallröntgenbeugung als ein weiterer Vertreter des C6Cr23 Strukturtyps identifiziert. Damit gehört Ni21P6Sn2 zu einer ganzen Familie von ternären Boriden, Carbiden und Phosphiden. Ihre Zusammensetzung unterscheidet sich von der benachbarten Phase Ni10P3Sn nur um ein Atomprozent im P-Gehalt. Erwartungsgemäß gibt es daher mehrere Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Strukturen, z.B. in der Anordnung der Sn- und P-Atome, und in der kompletten Abschirmung von P und Sn durch Ni-Atome. Für beide Verbindungen, Ni10P3Sn und Ni21P6Sn2, wurde kongruentes Schmelzverhalten gefunden.
Der Großteil der invarianten Reaktionen im Ni-reichen Teil des Phasendiagramms liegt in einem vergleichsweise engen Temperaturbereich von 861 bis 1010 °C, d.h. bei Temperaturen oberhalb der höchsten untersuchten Isotherme (850 °C). Im Scheil Diagramm ist die gefundene konsistente Abfolge dieser Reaktionen dargestellt. In Summe wurden bis jetzt 28 invariante Reaktionen allein im Ni-reichen Teil identifiziert, wobei aber der Übergang von Ni3Sn2 HT in die zahlreichen Tieftemperaturphasen nicht im Detailaufgeklärt werden konnte. Aus der Literatur is bekannt, dass Phasenübergänge in Phasen vom NiAs-Typ kristallographisch sehr komplex sind, was sich auch stets im Phasendiagramm manifestiert.
Wie erwartet, erschwerte die Anwesemheit von Phosphor die Probenherstellung und auch die Interpretation der Ergebnisse. Ab einem P-Gehalt von 40 at.% konnten Verdampfung / Sublimation und der Verlust von Phosphor aus der Probe nicht verhindert werden, was anfänglich zu Explosionen der verwendeten Quartzgefäße während der Probenherstellung führte. Außerdem wurden auch nach langem Gleichgewichtsglühen häufig Proben erhalten, die das thermodynamsiche Gleichgewicht nicht erreicht hatten, was auf das Vorhandensein einer P-haltigen Gasphase vor allem im (P,Sn)-reichen Bereich zurückzuführen ist. Auch eine metastabile Reaktion im binären Ni-P dürfte eine Entsprechung im ternären System haben, wodurch widersprüchliche Phasendiagramminformation von Proben erhalten wurde, die bei 200 °C geglüht worden waren.
Trotz dieser experimentellen Schwierigkeiten konnte eine konsistente Version des Ni-P-Sn Phasendiagramms erstellt werden. Dieses Phasendiagramm wird nützlich sein für die Interpretation der Bildung von intermetallischen Verbindungen in einer Lötstelle durch chemische Reaktion, sowie auch für die Entwicklung von neuen Materialien und Techniken für die Elektronikindustrie (z.B. Diffusionslöten). Abgesehen davon sollten die experimentellen Daten auch Ausgangspunkt für eine CALPHAD-Modellierung sein, denn die gewonnenen Erfahrungen haben gezeigt, dass eigentlich nur durch die Kombination von experimentellen Methoden und Modellrechnungen die Unklarheiten in solch einem komplexen System gelöst werden können.