Abstract (deu)
Lässt sich der Kampf der Kulturen noch vermeiden? Was wäre gegen die Ökonomisierung aller Lebensbereiche noch zu unternehmen? Gibt es unverbrauchte Formen des Lebens, die dem Verfall des normativen Bewusstseins und der gesellschaftlichen Solidarität in Zeiten der 'entgleisenden Modernisierung' noch etwas entgegenzusetzen haben? Diese Fragen stellt sich Jürgen Habermas und fordert, dass in all diesen Debatten der Öffentlichkeit noch nicht das letzte Wort gesprochen sein darf. Denn vor allem gilt es, einen bisher übersehenen player als Gegenüber auf Augenhöhe ernst zu nehmen und in den Diskurs einzubeziehen: Im Zuge seiner Argumentation für eine 'postsäkulare Gesellschaft', die sich an das Nebeneinander von 'säkularen' und 'religiösen Menschen' gewöhnt hat und in jenem 'Faktum des Pluralismus' nicht länger ein hinzunehmendes Übel, sondern ein wünschenswertes Indiz der Modernisierung des öffentlichen Bewusstseins sieht, spricht sich Habermas für eine Neuordnung im Verhältnis des liberalen Verfassungsstaates zu den Religionsgemeinschaften aus. Den großen Weltreligionen käme nicht nur eine Vermittlerrolle in interkulturellen Konflikten zu, in religiösen Sprachen hätte sich auch eine im nachmetaphysischen Denken abhanden gekommene Semantik erhalten, die das Ansprechen gesellschaftlicher Missstände ermöglicht, sofern die Übersetzung religiöser Sinngehalte in die Sprache einer allgemein zugänglichen Vernunft gelänge. Einwände gegen ein solches Vorhaben kommen aus dem politischen Liberalismus John Rawls', dem es sinnvoll erscheint, religiöse Haltungen in den jeweiligen background cultures zu belassen, weil in Bezug auf diese ohnehin keine Einigung zu erzielen sei, aber auch aus der Sprachphilosophie, wo man dem Habermas'schen 'Übersetzungsvorbehalt' eher skeptisch gegenübersteht, sowie dem Kommunitarismus Charles Taylors, der sich für eine grundsätzliche Redefinition des Begriffs der Säkularisierung einsetzt. Die Diplomarbeit sucht diese Debatte kritisch zu rekonstruieren.