Abstract (deu)
Die demographische Entwicklung Europas ist von niedrigen Geburtenraten und steigender Lebenserwartung geprägt. Bei gleichbleibend geringen Beschäftigungsquoten der älteren Bevölkerung sowie niedrigen effektiven Pensionsantrittsaltern geraten Pensionsversicherungssysteme, welche darauf aufgebaut sind, dass die erwerbstätige Bevölkerung die inaktive finanziert, zunehmend unter Druck.
Die bessere Integration von älteren ArbeitnehmerInnen in den Arbeitsmarkt ist daher für die Europäische Union von wachsender Bedeutung. Auf dem Europäischen Rat von Stockholm 2001 wurde das Ziel vereinbart, den Anteil der erwerbstätigen Personen unter den 55 bis 64-Jährigen bis zum Jahr 2010 auf 50% zu erhöhen.
Um solche Vorgabe erreichen zu können, ist es notwendig, die Determinanten der individuellen Pensionsentscheidungen zu untersuchen.
In der vorliegenden Arbeit wird ermittelt, ob die Verbesserung der Arbeitsqualität ein geeignetes Mittel darstellen kann, um ältere ArbeitnehmerInnen verstärkt in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Datengrundlage hierfür ist der Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe (SHARE). Im Jahr 2004 wurden 28.517 Personen über 50 aus 11 westeuropäischen Ländern zu ihrer gesundheitlichen, sozialen und ökonomischen Situation befragt. 2006 gab es eine neuerliche Erhebung, in die rund zwei Drittel der bereits befragten Personen einbezogen werden konnten.
Die Arbeitsqualität wird anhand von vier Größen gemessen: der allgemeinen Arbeitszufriedenheit, Control nach Karasek (1979, Karasek und Theorell 1990), Effort-Reward Imbalance nach Siegrist (1996a, 1996b), und einem Maß für relative Über- bzw. Unterqualifikation in Anlehnung an eine Publikation von Schnalzenberger et al. (2008). Anhand der konstruierten Indizes sollen spezifische Aussagen über die Art der Unzufriedenheit und mögliche Gegenmaßnahmen getroffen werden. Im Demand-Control Modell werden Arbeitssituationen als besonders belastend empfunden, wenn hohe Anforderungen mit einem niedrigen Maß an Kontrolle einher gehen (in der vorliegenden Arbeit liegt der Fokus auf der Komponente Control). Im Effort-Reward Imbalance Modell liegt geringe Arbeitsqualität vor, wenn die Anstrengungen, welche im Job abverlangt werden, nicht ausreichend goutiert werden (in Form von Entlohnung, Anerkennung, Aufstiegschancen oder Arbeitsplatzsicherheit). Den Maßen Überqualifikation und Unterqualifikation liegt die Idee zugrunde, dass die Ausübung eines Berufes, welcher nicht der individuellen Qualifikation entspricht, als belastend empfunden wird.
Im Zentrum der Arbeit stehen zwei Fragestellungen: Zunächst wird untersucht, welchen Einfluss die Arbeitsqualität auf die Wahrscheinlichkeit, den Wunsch nach möglichst baldiger Pensionierung zu äußern, hat. Ausgehend von denselben Beobachtungen wird anschließend ermittelt, welche Rolle die Arbeitsqualität sowie der geäußerte Pensionswunsch auf die Wahrscheinlichkeit haben, zwei Jahre später tatsächlich in Pension zu sein. In Probit-Modellen werden die Effekte - auf das gesamte Sample sowie für Frauen und Männer getrennt – geschätzt.
Die Schätzresultate legen folgenden Schlüsse nahe: Die allgemeine Arbeitszufriedenheit und die Indizes Control und Effort-Reward Imbalance liefern signifikante und von der Magnitude her relevante Effekte. Je schlechter die Arbeitsqualität nach diesen Maßen ist, desto stärker ausgeprägt ist der Wunsch, möglichst bald in Pension zu gehen. Für die Maße Über- und Unterqualifikation lässt sich kein Einfluss auf den Pensionswunsch feststellen.
Die Effekte der Arbeitsqualität auf die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich in Pension zu sein, sind weniger deutlich ausgeprägt. Während der negative Effekt des Pensionswunsches für das gesamte Sample hochsignifikant ist, ist der Einfluss der allgemeinen Arbeitsqualität nur für die Männer von Bedeutung. Bei den Frauen haben die Überqualifizierten eine signifikant geringere Pensionswahrscheinlichkeit als der Durchschnitt.
Der klare Einfluss des Pensionswunsches sowie das Ergebnis, dass die Effekte anderer erklärenden Variablen (Geschlecht, Ausbildungsniveau, Haushaltszusammensetzung, Selbstständigkeit) für beide Fragestellungen in die gleiche Richtung gehen (wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß für die Wahrscheinlichkeit tatsächlich in Pension zu sein), deuten aber darauf hin, dass die Erwerbstätigen zu einem gewissen Grad Einfluss auf ihren Pensionsantritt nehmen können.
Wenn die Erwerbsbeteiligung der 50 bis 64-Jährigen erhöht werden soll, macht es somit durchaus Sinn, deren Bedürfnisse – etwa in Bezug auf die Arbeitsbedingungen - weiter zu untersuchen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.