Abstract (deu)
Die amerikanische Präsidentschaft nimmt im komplexen amerikanischen politischen System eine besondere, einzigartige Stellung ein. Sie vereint die ideellen Funktionen eines Staatsoberhauptes mit denen eines Regierungschefs und des Oberkommandierenden der Streitkräfte. Laut Verfassung sollte im amerikanischen System der Gewaltenteilung zwischen gleichberechtigter Exekutive, Legislative und Judikative der Kongress der Exekutive innenpolitisch die Waage halten. Die Initiative und die Agendenentwicklung für die amerikanische Innenpolitik sind allerdings seit Anfang des 20. Jahrhunderts immer mehr auf die Präsidentschaft übergegangen. Die Machtexpansion der amerikanischen Präsidentschaft hängt eng zusammen mit der Entwicklung des aktivistischen, regulativen Zentralstaats, dessen erster Wachstumsschub in den USA mit der Progressiven Ära Anfang des 20. Jahrhunderts zusammenfällt.
Die Progressive Ära ist geprägt durch sozialreformerische politische Bewegungen, die unter dem Schlagwort ‚progressiv’ zusammengefasst werden. Der gemeinsame Nenner dieser Bewegung war das Streben nach einer Stärkung des Zentralstaats als einzige Instanz, die fähig war, die Probleme einer modernen Industriegesellschaft zu lösen. Die Reformen, die aus dieser Bewegung hervorgingen, hatten eine dauerhafte Schwächung des amerikanische Parteisystems und damit des Kongresses zur Folge, und die aktivistischen, progressiven Präsidenten dieser Zeit - vor allem Theodore Roosevelt und Woodrow Wilson - nutzten den reformerischen Zeitgeist, um die Exekutive ideell, institutionell, administrativ, medial und politisch zu stärken.
Die Präsidenten der Progressiven Ära begannen damit, die Präsidentschaft zum Zentrum des amerikanischen politischen Lebens zu machen, das sie bis heute geblieben ist.