Abstract (deu)
Der Einsatz von Nano- und Mikropartikeln als Trägersysteme stellt einen vielversprechenden Ansatz zur biopharmazeutisch verbesserten Applikation von hochpotenten etablierten und Biotech-Wirkstoffen dar. Die Interaktion der Partikel mit Geweben des menschlichen Körpers wird abgesehen von der Partikelgröße vorwiegend durch die chemische Struktur der Partikeloberfläche bestimmt. Folglich kann durch Modi- fikation der Oberfläche mit bioadhäsiven Molekülen die Lokalisation und Verweildauer der partikulären Arzneiform im Körper grundlegend beeinflusst werden.
Im Rahmen der vorliegenden Dissertation wurde untersucht, in- wiefern elektrostatische oder biorekognitive Wechselwirkungen aus- genützt werden können, um die Bindung von Nano- und Mikropar- tikeln an humane epitheliale und endotheliale Zellen zu erhöhen. Die negative Oberflächenladung von Polymerteilchen wurde durch Beschichtung mit dem kationischen Polyelektrolyt Polyethylenimin invertiert. Durch diese Ladungsumkehr konnte eine 3-fach erhöhte Bindung von Mikropartikeln und eine 5-fach erhöhte Bindung von Nanopartikeln an ein Gewebekulturmodell des humanen Dünndarms erzielt werden. Ein generelles Übertragen dieser Ergebnisse auf an- dere humane Zelltypen ist jedoch nicht uneingeschränkt möglich, da beispielsweise an primären humanen Endothelzellen keine bevorzugte Bindung von positiv geladenen Partikeln nachgewiesen werden konnte.
Zur Erhöhung der spezifischen Bioadhäsivität wurden Nano- und Mikropartikel kovalent mit Weizenkeimlektin derivatisiert. Die Wech- selwirkung dieses zuckerbindenden Proteins mit Bestandteilen der zel- lulären Glykocalyx erhöhte die Bindungsraten an Caco-2 Einzelzellen 73-fach im Vergleich zu nicht modifizierten Partikeln. Dadurch kon- nte bestätigt werden, dass die Konjugation mit Lektinen ein vielver- sprechendes Konzept im Rahmen der Entwicklung bioadhäsiver Wirk- stoffträger darstellt.
Standardgemäß werden Bioadhäsionsstudien unter stationären Be- dingungen durchgeführt. Sowohl nach peroraler als auch nach par- enteraler Applikation wirken jedoch Scherkräfte, die die Interaktion von Wirkstoffträgern mit dem Gewebe maßgeblich beeinflussen. Um eine Untersuchung der Bioadhäsivität von Partikeln unter annähernd physi- ologischen Bedingungen zu ermöglichen, wurde ein miniaturisiertes und dadurch potentiell parallelisierbares Flussmodell entwickelt. In diesem chipbasierten System werden mittels oberflächenakustischer Wellen hydrodynamische Kräfte erzeugt, die vergleichbar mit jenen im Darm und in den Blutgefäßen sind. Untersuchungen mit lektinmodi- fizierten Mikropartikeln zeigten, dass deutliche Diskrepanzen zwischen den zellgebundenen Partikelmengen unter stationären und dynamis- chen Bedingungen bestehen. Eine Integration von hydrodynamischen Parametern in präklinische biopharmazeutische Testmodelle erscheint demnach äußerst sinnvoll und könnte die Aussagekraft dieser Modelle deutlich erhöhen.
Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass sowohl das entwickelte Chipmodell als auch die erarbeiteten Techniken zur Partikelmodifika-
tion und -detektion vielseitig anwendbares Potential für die biophar- mazeutische Optimierung der Applikation von Wirkstoffen bieten.