Abstract (deu)
Das Kabinetttheater, ein Figurentheater für Erwachsene, lässt viele seiner Inszenierungen auf einer literarischen Grundlage basieren. Die Textsorte, die das Kabinetttheater für seine literarischen Figurentheaterinszenierungen wählt, sind Minidramen, d.h. im Bereich der experimentellen Literatur angesiedelte Kürzestdramen. In dieser Arbeit werden die Minidrameninszenierungen des Kabinetttheater unter theaterästhetischen Gesichtspunkten untersucht. Die Analyse erfolgt anhand von sieben ausgewählten Inszenierungen von Stücken der Autoren Friederike Mayröcker, Wolfgang Bauer, Javier Tomeos, Konstanty Ildefons Gałczyński, Kurt Bartsch, Daniil Charms und Konrad Bayer.
Die Textsorte Minidrama weist spezifische Eigenschaften auf, die dem Medium Figurentheater entgegenkommen: eine nichtmimetische, generative Theaterauffassung, die Thematisierungen des Mediums Theater, Reduktion und Verdichtung, das Thema der Manipulation und Abhängigkeit sowie die häufigen Darstellungen überhöhter Formen von Wirklichkeit, wie Groteskes und Absurdes. Das Kabinetttheater macht sich diese Parallelen von Minidrama und Figurentheater zunutze: Die Prozesshaftigkeit von Theater wird transparent gemacht. Theater mit all seinen Entstehungskonstituenten wird zum Thema vieler Arbeiten des Kabinetttheaters. Hierbei kann der Fokus auf die verschiedenen Ebenen dieses Prozesses gelegt werden: von der Sichtbarmachung des Autors über die Regiearbeit und die Animation bis hin zum Rezeptionsprozess, bei dem die Ergänzungs- und Imaginationskraft des Publikums eine wesentliche Rolle spielen. Schon im Text angelegte Elemente des Grotesken und Absurden sowie die Thematik von Manipulation und Abhängigkeit werden am Kabinetttheater durch verschiedenste Methoden und Verfahrensweisen herausgearbeitet.
Das Kabinetttheater setzt in seiner Bühnenästhetik einerseits auf Reduktion, auf halb- und unfertig wirkende Figuren- und Bühnengestaltungen. Andererseits sind Assoziationsreichtum, Gestaltungsfreude und originelles Zusammenführen von Dingen, die dem Zuschauer neue Sichtweisen eröffnen, ebenso zu beobachten. Zur Bezeichnung der Bühnen- und Figurengestaltungen des Kabinetttheaters eignet sich der Begriff Metapher im Sinne einer ungewohnten, innovativen Zusammenfügung zweier auf den ersten Blick völlig ungleicher Dinge. Es entsteht eine von Selbstreferenzen, Originalität und hoher Poetizität geprägte Bühnensprache.