Abstract (deu)
Diese Dissertation verortet sich an der Schnittstelle von Wissenschaftsforschung, Medizinsoziologie und Internetforschung. Ausgehend von Diskursen rund um den "informierten Patienten" im Kontext breiterer techno-wissenschaftlicher Entwicklungen beschäftigt sich diese Arbeit mit dem Internet als Quelle für Gesundheitsinformationen. Das Ziel dieser Arbeit ist es, eine kritische Perspektive auf diese Thematik zu werfen und damit euphorische Visionen vom das Netz als Werkzeug zum „Patienten Empowerment“ zu hinterfragen. Dazu wird auf die Kommunikation von medizinischem Wissen über das Internet und die Rolle der Technologie in dieser Kommunikation fokussiert. Mit Hilfe des analytischen Zugangs der Actor-Network Theory und einem Mix an Methoden konzeptualisiert und analysiert die Arbeit Praxen des Anbietens und Nutzens von medizinischem Wissen über das Netz als soziotechnische Praxen. Konkret wurde untersucht, wie unterschiedliche Typen von AnbieterInnen medizinische Webseiten strukturieren, am Netz positionieren und für NutzerInnen vertrauenswürdig gestalten, und wie unterschiedliche NutzerInnen nach medizinischen Informationen suchen, Webseiten auswählen und nutzen, und wie sie die Qualität und Glaubwürdigkeit von online Gesundheitsinformationen einschätzen.
Diese Analyse zeigt, dass sowohl Praxen des Anbietens, als auch Praxen des Nutzens von medizinischem Wissen über das Netz höchste individuelle Informationspraxen darstellen. Darüber hinaus zeigt die Analyse, dass die Technologie – und insbesondere Suchmaschinen – die Kommunikation zwischen AnbieterInnen und NutzerInnen formt und prägt. Sowohl AnbieterInnen, als auch NutzerInnen orientieren sich nicht allein an ihrem jeweiligen Gegenüber, sondern auch an technischen Entitäten, insbesondere der Suchmaschine Google. Dabei werden Bewertungskriterien von medizinischem Wissen und Kategorien wie Vertrauen entlang der Technologie neu verhandelt, und epistemologische Praxen verändern sich. Dies führt mich zu der Schlussfolgerung, dass die Mediatisierung oder „Informationalisierung“ von medizinischem Wissen durch das Internet neue Wissenspraxen hervor bringt, die neue Fähigkeiten erfordern. Über das Handling der Technologie hinaus, umfasst die Aneignung von medizinischem Wissen über das Netz kognitive Fähigkeiten und komplexe Wissensarbeit. Dies relativiert Visionen des Netzes als „empowerment tool“ und zeigt, dass sich PatientInnen mit Hilfe der Technologie selbst „empowern“ müssen, anstatt durch die Technologie „empowert“ zu werden. Dieses Ergebnis lädt insbesondere ÄrztInnen dazu ein, auf PatientInnen und deren individuelle Wissenspraxen einzugehen, um ein neues Vertrauensverhältnis zu ihren „Informierten PatientInnen“ herstellen zu können.