Abstract (deu)
Facebook, MySpace, Netlog und ähnliche Social Network Sites bilden für die meisten Jugendlichen einen integralen Bestandteil ihres Alltags. Trotz stetiger, medialer Bericht- erstattung über Zwischenfälle mit solchen Plattformen, wie Stalking, Phishing und Identitätsdiebstahl, offenbaren Jugendliche oft intime Daten. Diese Arbeit verfolgt daher die zentrale Fragestellung, warum sich Jugendliche, in Anbetracht der damit verbundenen Risiken, entscheiden, ein öffentliches Privatleben auf Social Network Sites zu führen. Zur Beantwortung wird, ausgehend von einem handlungstheoretischen Zugang, eine qualitativ- empirische Studie aus der Perspektive des Symbolischen Interaktionismus mit Schwer- punkt auf den Ansätzen von Mead, Blumer und Goffman in Form von vier Gruppen- diskussionen mit Jugendlichen durchgeführt. Die Auswertung erfolgt sozialwissen- schaftlich-hermeneutisch gemäß der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring und der Kernsatzfindung nach Leithäuser und Volmerg. Ergänzend werden die Theorien zur Entwicklungspsychologie von Erikson und zum Strukturwandel der Öffentlichkeit von Habermas herangezogen. Die Ergebnisse bestätigen viele Resultate früherer, großteils quantitativer Untersuchungen, gewähren allerdings tieferen Einblick in die soziale Gebrauchsweise und die subjektiven Relevanzstrukturen von Jugendlichen. Sie nutzen Social Network Sites als Erweiterung ihres Sozialisationsumfeldes, weshalb die Wahl der Plattform den sozioökonomischen Status der User widerspiegelt. In diesem neuen sozialen Raum mit neuen eigensinnigen, teils subversiven Aneignungspraktiken verbringen die Jugendlichen Zeit miteinander, diskutieren gemeinsame Aktivitäten, tauschen Fotos aus, pflegen bestehende Freundschaften und bauen zuweilen bislang flüchtige Offline- bekanntschaften aus. Den Jugendlichen ist es wichtig, Kontrolle über ihre Selbst- darstellung zu haben, wobei der Wahrheitsgehalt für sie eine untergeordnete Rolle spielt. Bezüglich Privacy zeigen sie Unsicherheiten und Desinteresse. Sie sind sich weder des potentiellen Publikums, unter das sich zunehmend Erwachsene mischen, noch ihrer äußerst niedrigen Hemmschwelle bei der Veröffentlichung von Daten im Klaren. Persistenz, Reproduzierbarkeit und einfaches Durchsuchen der Daten machen die Eingrenzung des Publikums ihrer Selbstdarstellung zum Hauptproblem der Social Network Sites. Möglichkeiten zur Minimierung dieses Problems bestehen beispielsweise in stärkerer Bewusstseinsbildung bei den Jugendlichen und einer dahingehenden Erweiterung der Funktionen auf den Plattformen.