Abstract (deu)
Die allgemeine Wehrpflicht ist in Europa ins Gerede gekommen. Viele Staaten haben dieses historisch so bedeutsame Institut der Heeresverfassung bereits abgeschafft, in anderen, auch in Österreich, werden Stimmen laut, auf die Einberufung der volljährigen und männlichen Bürger zu verzichten.
In den gegenwärtigen Debatten ist also viel von der Zukunft der allgemeinen Wehrpflicht die Rede, ohne das je ein Blick auf ihre Vergangenheit geworfen wird. Tatsächlich verdankt sich die allgemeine Wehrpflicht nicht einer bloßen Reform des Rekrutierungswesens, sondern ist Ausdruck einer spezifischen Politik der Partizipation des Bürgers am Staatswesen. Weder das Mittelalter, noch die frühe Neuzeit, und schon gar nicht der absolutistische Staat kannten die allgemeine Wehrpflicht und konnten sie nicht kennen, weil sie auf Ordnungsprinzipien aufruhten, die den Untertan vom Politischen ausschloss. Erst durch die Realisierung demokratischer Ideale durch die Französische Revolution ab 1789 wurde ein Staatsprinzip geschaffen, in dem der Untertan zum Staatsbürger und damit zu seinem eigenen Souverän avancieren konnte. Der Grundgedanke dieses Wandels in den Herrschaftsbeziehungen war die Idee der Nation. Sie, gedacht als die Gemeinschaft der Gleichen, und als Trägerin aller Souveränität, wie etwa die Französische Verfassung 1791 verkündete, ist das eigentliche movens dafür, dass Bürger zu den Waffen gerufen werden konnten und die nötige Bereitschaft für dieses Risiko mit sich brachten.