Abstract (deu)
Die vorliegende Arbeit basiert auf der teils auf Norbert Elias zurückgehenden These, dass soziale Strukturen in architektonischen ausgedrückt werden und dass die architektonischen ihrerseits wiederum auf die sozialen Strukturen zurückwirken. Als Hinweis auf das diskursive Umfeld dieser sozialen Strukturen wurde die ökonomische, deutschsprachige Literatur, die sogenannte Hausväterliteratur des 16. und frühen 17. Jahrhunderts, aber ganz besonders das diesem Genre zuzurechnende Haushaltungsbüchl, das durch Philipp Jakob von Grünthal, einen 1596 verstorbenen Adeligen aus Österreich ob der Enns, verfasst wurde, herangezogen.
Die hieraus erschließbaren Tätigkeitsfelder und gesellschaftlich normativen Zuweisungen sollten der Binnenstruktur frühneuzeitlicher Adelssitze sowie den aus den untersuchten Inventaren mit Einschränkungen ersichtlichen Raumausstattungen derselben, hauptsächlich in Österreich ob und unter der Enns gegenübergestellt werden.
Die angesprochenen Inventare sind zum größten Teil adelige Nachlassinventare des 16. Jahrhunderts aus dem erwähnten geographischen Raum, die der Forschung bislang noch unbekannt waren. Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass es mir im Rahmen dieser Arbeit gelungen ist nachzuweisen, dass die systematische Nachlassinventarisierung in den habsburgischen Erbländern mit großer Wahrscheinlichkeit erst im 16. Jahrhundert mit der Rezeption des römischen Rechts und der damit verbundenen Rechtswohltat des beneficium inventarii einsetzte, und dass somit davor nur vor allem im Osten sehr vereinzelt mit Inventaren zu rechnen ist. In Tirol scheint sich die Situation etwas anders darzustellen und die Überlieferung etwas früher einzusetzen.
Im Fokus der Arbeit sollten die Wohnräume, nicht aber reine Wirtschafts- und Lagerräume stehen, da sie einerseits im Rahmen des durch die ÖAW finanzierten interdisziplinären Forschungsprojekts „Raumordnungen“ am IMAREAL in Krems an der Donau entstand, das adeliges Wohnen im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit im süddeutschen Raum zum Thema hatte, und sich diese andererseits für eine Gegenüberstellung mit dem oben erwähnten diskursiven Umfeld eigneten.
Der Idee der drei Gesellschaften folgend, nämlich „väterliche Gesellschaft“, „elterliche Gesellschaft“ und „herrschaftliche Gesellschaft“, wurde zunächst das herrschaftliche Appartement als Wohnung des Hausherrn oder auch der herrschaftlichen Ehepaars in den Blick genommen, wobei sich eine große Übereinstimmung mit den normativen Implikationen ergab.
Als nächstes stand das sogenannte „Frauenzimmer“ im Blickpunkt, das sich einerseits einfach als Lebensraum der sozial höhergestellten Frauen im frühneuzeitlichen Schloss oder der Burg, aber noch weit mehr als „Reservat“ in einer vorwiegend durch männliche Akteure bestimmten Umwelt herausstellte. Auch hier stimmten die durch die Hausväterliteratur, aber nicht nur durch diese implizierten Tätigkeitsfelder und gesellschaftlichen Relationen zum größten Teil mit der aus den Inventaren ersichtlichen Binnenstruktur und den Raumausstattungen überein.
Das folgende Kapitel ist den Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen gewidmet, und hier insbesondere der geschlechterspezifischen Erziehung und Ausbildung, die aber in den Inventaren nur sehr geringe Spuren hinterlassen hat.
Zuletzt, allerdings meiner Meinung nach nahezu am wichtigsten, steht das Hauspersonal im Fokus der Betrachtungen, angefangen bei den einfachen Knechten und Mägden bis hin zu den Pflegern, die teils wahrscheinlich eine dem Hausherrn ähnliche Stellung einnahmen. Die Lebensbedingungen, aber besonders die dem Personal entgegengebrachte Wertschätzung seitens der Hausherrschaft, so zumindest meine Erkenntnis, ist zwar aus den Inventaren schwer ablesbar, vor allem was die Diabolisierung des Hauspersonals betrifft, aber dennoch lassen sich zumindest aus der Zahl der Schafstellen pro Raum, der Qualität des Mobiliars und der zur Verfügung gestellten Bettextilien und der Zahl der für dieselben vorgesehenen Räume gewisse Schlüsse ziehen.