Abstract (deu)
Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich mit der bis dato fast ausschließlich theoretisch (und sehr stark normativ) geführten Diskussion, auf welchen Elementen ein europäisches Zusammengehörigkeitsgefühl aufbauen soll. Im Wesentlichen stehen sich zwei Entwürfe gegenüber: ein ethnisch-kultureller, der als Basis eines Zusammengehörigkeitsgefühls eine gemeinsame europäische Kultur und Geschichte propagiert (nationalstaatliches Modell), und ein zivil-politischer, der die gemeinsame Teilhabe am demokratischen Prozess der Europäischen Union, geleitet von universalen Grundwerten wie den Menschenrechten und der Toleranz anderer Kulturen, als Ausgangspunkt eines derartigen Gemeinschaftsbewusstseins sieht. Verschiedene Vor- und Nachteile werden in der Literatur mit den beiden Ansätzen assoziiert.
Das Problem, das die vorliegende Masterarbeit adressiert, ist, dass die Diskussion auf empirischer Ebene nicht adäquat umgesetzt ist, d.h. kaum empirische Ergebnisse existieren, die die theoretisch vorgebrachten Argumente stützen oder gegebenenfalls widerlegen können. Diesem Ungleichgewicht zwischen theoretischer Diskussion und empirischer Umsetzung versucht die Masterarbeit entgegen zu wirken, indem die verschiedenen theoretischen Argumente einer empirischen Prüfung unterzogen werden.
Ein wesentlicher Teil der Arbeit ist dabei der dichotomen Trennung zwischen den beiden Entwürfen gewidmet, die sowohl theoretisch als auch empirisch angezweifelt wird. Eine empirische Trennung gelingt nach Meinung des Autors nur dann, wenn nicht zwischen einer "europäischen Kultur" (= ethnisch-kulturell) und "universalen Werten" (= zivil-politisch), sondern zwischen einer "kulturellen Integration" (wir Europäer gehören zusammen, weil wir eine gemeinsame Kultur/Geschichte teilen) und einer rein "politischen Integration" (wir Europäer gehören zusammen, weil wir gemeinsame politische Ziele haben) unterschieden wird. Basierend auf den Ergebnissen aus der empirischen Studie scheint die Vermittlung von gemeinsamen politischen Zielen eine weitaus bessere Alternative zur Definition und Bewusstmachung einer europäischen Kultur darzustellen. Dies liegt einerseits an den, von den Befragten wahrgenommenen, großen kulturellen Unterschieden zwischen den europäischen Nationen, die die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Kultur als äußerst schwierig erscheinen lassen. Auch die Vorwürfe aus der Literatur, die Definition einer europäischen Kultur würde zu einem Nationalismus auf supranationaler Ebene führen, werden durch die empirischen Ergebnisse gestützt.
Im Gegensatz dazu zeigt sich, dass die Wahrnehmung gemeinsamer politischer Ziele weder ein europäisches Überlegenheitsgefühl noch eine Abgrenzung gegenüber dem Islam fördert. Zudem scheint die Wahrnehmung einer politischen Zusammengehörigkeit weitaus geringer von einer (fehlenden) gemeinsamen kulturellen Basis abhängig zu sein und hat darüber hinaus noch einen positiven Effekt auf die Einstellung zur europäischen Integration. In Anbetracht dieser Erkenntnisse ist der zivil-politische Entwurf eines europäischen Zusammengehörigkeitsgefühls zu favorisieren, allerdings nur dann, wenn der Fokus auf der reinen Vermittlung einer politischen Gemeinschaft liegt. Sobald eine Selbstdefinition Europas, egal ob kulturell oder über universale Werte, stattfindet, scheinen sich jene Probleme einzustellen, vor denen in der Literatur gewarnt wird.