Abstract (deu)
Untersucht wird, ob und in welcher Weise in österreichischen Schulbüchern der vierten Schulstufe (Volksschule) mit den Themen „Zweiter Weltkrieg“, „Nationalsozialismus“ und „Nachkriegszeit“ umgegangen wird. Diese Darstellungen in den Volksschulbüchern werden identifiziert, kategorisiert und interpretiert und ins Verhältnis gesetzt mit österreichischer Erinnerungskultur. Sie können als ein Segment der Geschichte österreichischer Erinnerungskultur verstanden werden.
79 zwischen 1946 und 2005 erschienene Lese- und Sachunterrichtsbücher werden raum- und inhaltsanalytisch ausgewertet und in Beziehung gesetzt zu ihren Determinanten „Lehrplan“ und „Schulbuchapprobation“, sowie zu den Kontexten „zeitgenössische entwicklungspsychologische Erkenntnisse“ und jeweilige öffentliche Diskussionen beziehungsweise „erinnerungskulturelle Narrative“.
Innerhalb des Untersuchungszeitraumes wandeln sich der öffentliche Diskurs und die Schulbuchinhalte. Letztere wandeln sich langsamer. Im öffentlichen Diskurs sind die Themen seit 1975 präsent. Anstoß zu öffentlicher Diskussion gaben u.a. der Konflikt Kreisky/Peter 1975 und die Waldheimaffäre 1986. In den Schulbüchern sind im Zeitraum 1975 bis 1995 die größte Zahl von Beiträgen und der größte Anteil der Themen am Gesamtumfang der Schulbücher zu finden. Es wird bis 1985 in den Büchern von Kriegsereignissen berichtet, z.B. von Vätern im Krieg, von Bombenangriffen auf Städte und von Nahrungsmittelknappheit. Österreicher werden als Opfer dargestellt. Auch erinnerungskulturell war nach Uhl bis in die 80er die Opferthese vorherrschend. Ab 1986 – im Zuge der Waldheimaffäre - wird die Opferthese öffentlich hinterfragt und vermehrt die Frage nach eigenem Mittun und eigener Mitverantwortung gestellt. Ab 1985 tritt in den Volksschulbüchern zur Darstellung der genannten Themen der Holocaust hinzu, mit einem im Verhältnis zu den anderen Themen vergleichsweise geringem Anteil. Es zeigt sich bis in die Gegenwart, dass Österreich in den Volksschulbüchern als Opfer präsentiert wird. In zwei von 79 Schulbüchern, beide erschienen zwischen 1976 und 1995, wird davon erzählt, dass viele Österreicher mit dem damaligen Geschehen einverstanden waren. Österreicher als Täter kommen nicht vor. An einigen Stellen wird von „Nazis“ als Täter gesprochen, und dabei der Eindruck vermittelt, diese kämen von außen, seien keine Österreicher. Ab 1995 werden weniger Fakten genannt (z.B. historische Ereignisse und Jahreszahlen, der Name Hitler, NS-Bezeichnungen, Lebensbedingungen der Zivilbevölkerung im Krieg). Statt Informationen zu geben, werden vermehrt Arbeitsaufträge an die Kinder gestellt. In dieser letzten Phase meines Untersuchungszeitraumes zeichnet sich die Entwicklung ab, dass in den Volksschulbüchern der Gegenwart „Krieg“ und damit in Zusammenhang stehend „Friedenserziehung“ thematisiert werden, aber immer seltener der Zweite Weltkrieg bzw. der Nationalsozialismus.