Abstract (deu)
Die vorliegende Diplomarbeit entstand im Rahmen der Wiener Kinderkrippenstudie (WiKi-Studie), einer Studie, die seit 2008 unter der Leitung des Bildungswissenschaftlers Ao. Univ.-Prof. Dr. Wilfried Datler in Kooperation mit der Entwicklungspsychologin Univ.-Prof. Dr. Liselotte Ahnert an der Universität Wien durchgeführt wird und in welcher vorwiegend das Verhalten und Erleben von Kindern im Alter von etwa eineinhalb bis drei Jahren im Zuge ihrer Eingewöhnung in die Kinderkrippe untersucht wird.
Im Rahmen dieser Untersuchung fielen Kinder auf, deren Verhalten darauf hindeutet, dass sie unglücklich zu sein scheinen, dies aber nicht entsprechend zum Ausdruck bringen können. Von der Projektleitung wurden diese Kinder als „Still leidende Kinder“ bezeichnet.
Das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Diplomarbeit liegt darin, anhand von drei ausgewählten Einzelfällen, zunächst einen Einblick in die innere Erlebenswelt der „Still leidenden Kinder“ zu geben. Auf Basis von theoretischen Annahmen über die kindliche Bewältigung von Trennung und Getrenntsein von den primären Bezugspersonen wird untersucht, wie das Verhalten der „Still leidenden Kinder“ zu verstehen beziehungsweise zu erklären ist.
Die Ergebnisse aus der Analyse der Einzelfälle beziehungsweise des vorliegenden videographischen Materials lassen darauf schließen, dass die drei Kinder tatsächlich leiden, diese Belastung aber so „still“ zum Ausdruck bringen, dass es schwierig ist, die Nöte der Kinder zu erkennen. Das bedeutet, dass nicht nur jene Kinder, die ihre Affekte offen (z.B. durch lautes Weinen) zeigen, sondern auch Kinder, die „stilles Verhalten“ zeigen, im Zuge der Eingewöhnung in die Kinderkrippe emotionale Belastungen verspüren, die auf die Trennung von den primären Bezugspersonen zurückzuführen sind. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung deuten zudem darauf hin, dass das Verhalten der „Still leidenden Kinder“ als Ausdruck und Folge eines problematischen Bewältigungsversuchs von Trennung und Getrenntsein verstanden werden kann, denn die Verhaltensweisen der „Still leidenden Kinder“ erinnern an in Fachpublikationen beschriebene Krankheitsbilder und an theoretische Annahmen über Affektregulationsstörungen und Störungen in der Bindungsbeziehung zwischen dem primären Objekt und dem Kind. Eine weitere Erkenntnis dieser Arbeit ist, dass der Eingewöhnungsprozess der drei untersuchten Kinder individuell verläuft bzw. verlief und daher nicht von DEM „Still leidenden Kind“ gesprochen werden kann. Hiervon ausgehend werden am Ende dieser Arbeit überdies Konsequenzen für die Bildungswissenschaft und etwaige entwicklungsfördernde Handlungsmöglichkeiten für die professionelle pädagogische Arbeit im Bereich der frühkindlichen Tagesbetreuung diskutiert.