Abstract (deu)
Die vorliegende Diplomarbeit widmet sich der Untersuchung des Zusammenspiels
zwischen Wahnsinn, Erinnerung und Raum anhand von Charles Dickens’ Great
Expectations (1861) sowie Emily Brontës Wuthering Heights (1847). Sie setzt sich vor
allem mit folgenden Fragen auseinander: Was versteht man überhaupt unter dem
Begriff Wahnsinn? Wie wird Wahnsinn in den genannten literarischen Werken des
neunzehnten Jahrhunderts konstruiert und dargestellt? Und inwieweit lässt es sich
letztendlich sagen, dass sowohl der Raum als auch das Gedächtnis bei der Entstehung
bzw. dem Ausbruch des Wahnsinns zusammenwirken? Der Einfluss der Vergangenheit
auf die Gegenwart und infolgedessen auf die Zukunft, insbesondere aber auf die Psyche
der untersuchten Charaktere, wird dadurch in den Fokus gestellt. Die Schatten der
Vergangenheit sind hierbei als Auslösreize zu verstehen, die Erinnerung aktivieren
beziehungsweise stark beeinflussen und damit bestimmte Verhaltensweisen der
Protagonisten hervorrufen, auch solche die nicht unbedingt mit dem übereinstimmen,
was die patriarchale Gesellschaft als ‘normal’ betrachtet.
Die Analyse ist in zwei Kapitel unterteilt. Das erste Kapitel befasst sich mit Brontës
Roman Wuthering Heights und untersucht vor allem, wie die Protagonisten Heathcliff
und Catherine Earnshaw mit ihren schmerzhaften, beziehungsweise traumatischen
Erinnerungen an die Vergangenheit umgehen und wie sie versuchen, diese mithilfe von
Wiederholungszwang oder Verdrängung zu meistern. Das zweite Kapitel hingegen
beschäftigt sich mit der exzentrischen Miss Havisham in Dickens’ Great Expectations
und widmet sich der Frage, wie die verlassene Braut ihr ganzes Leben um das Trauma
der Trennung und Enttäuschung herum organisiert und versucht, das traumatische
Erlebnis durch Wiederholung zu überwinden. Beide Kapitel stützen sich auf Theorien
des Wahnsinns, die im neunzehnten Jahrhundert durchaus populär waren; des weiteren,
basieren sie auf den Erkenntnissen der Traumatheorie.
Die Analyse zeigt, dass der Wahnsinn, dem die Protagonisten unterliegen, wesentlich
mehr als nur das Abweichen von sozialen Normen bedeutet. Wahnsinn hat eher viel
mehr damit zu tun, wie die Protagonisten mit traumatischen Situationen und
Erinnerungen umgehen, die ihr Verhalten und Denken deutlich bestimmen und
dementsprechend entweder als normal oder abnormal bezeichnet werden. Desweiteren gelangt man zur der Schlussfolgerung, dass es keine klare und feste Linie zwischen
Wahnsinn und Verstand gibt, weil der Wahnsinn prinzipiell ein sozial geprägtes
Phänomen zu sein scheint.