Die Geschichte Südafrikas ist geprägt von Kolonialismus, Kriegen und dem Apartheidregime. 46 Jahre lang musste der Großteil der südafrikanischen Bevölkerung unter einer kleinen weißen Minderheit leiden. Was vielen Menschen in dieser Zeit passiert ist, wurde in einen Schleier des Schweigens gehüllt. Die Individuen blieben für sich, ihnen fehlten sowohl die Worte als auch die Zuhörer, die ein Verbalisieren der Geschehnisse möglich machten. Obwohl die „Regenbogennation“ Südafrika heuer auf zwanzig Jahre Demokratie zurückblickt, ist das Vermächtnis der Apartheid-Ära noch stark zu spüren. Trotz der regen Bemühungen der TRC besteht noch immer eine Kultur des Schweigens, die in der Kultur des Landes und daher auch in den Köpfen der Menschen verankert ist. Zudem ist zu bemerken, dass die südafrikanische Kultur noch immer eine patriarchalische ist. Dies, wie auch die Tatsache, dass Frauen und Kinder regelmäßig und in weit verbreiteter Weise mit Gewalt konfrontiert sind, spiegelt sich im zeitgenössischen südafrikanischen Roman wider. Oftmals entwickeln von Gewalt und der Kultur des Schweigens betroffene Charaktere in den Romanen psychische Auffälligkeiten.
Diese Arbeit widmet sich der Sichtbarmachung der Verbindung zwischen der in Südafrika noch immer vorherrschenden Kultur des Schweigens, den daraus resultierenden traumatischen Erlebnissen für die Schwächeren in der Gesellschaft und der Entwicklung psychischer Störungen verschiedenster Schweregrade. Dieser Komplex wird in der vorliegenden Diplomarbeit als das Saatbeet psychischer Störungen betrachtet, welche die nahezu durchgehend weiblichen Charaktere dann entwickeln. Im Teil „Theoretical considerations“ wird der Leser bzw. die Leserin in die Konzepte eingeführt, die dann auf die literarischen Texte angewendet werden. Dazu gehört die Erläuterung des grundlegenden Konzeptes der Kultur des Schweigens, aber auch, wie dieses auf den Fall Südafrika umgelegt werden kann. Es werden des Weiteren die Begriffe Verrücktheit und Krankheit erläutert. Dies führt den Leser bzw. die Leserin dann zur Beschreibung ausgewählter psychischer Erkrankungen, an welchen die Charaktere der analysierten Romane leiden. Dabei wird ein weiteres Mal auf die mögliche Verbindung kritischer Lebensereignisse mit dem Beginn einer geistigen Erkrankung hingewiesen, welche durch einschlägige Literatur gestützt wird.
Aus der Analyse der Romane geht hervor, dass die kritischen Lebensereignisse bzw. Traumata, mit denen die Charaktere zurechtkommen müssen, omnipräsent und verborgen zugleich sind. Der Leser bzw. die Leserin kann nur erahnen, was dem Charakter zugestoßen sein könnte. Die weiblichen Protagonisten gehen unterschiedlich mit ihren Situationen um. Diese Art des Umgangs stellt dann die Weichen für ihr weiteres Leben. Während Magda vermeintlich einsam und halluzinierend ihr Dasein auf ihres Vaters Farm fristet, stellt sich Faith ihrer Vergangenheit und geht gestärkt aus diesem Prozess hervor. Carla gelingt dies ebenfalls; sie widmet ihr weiteres Leben Frauen, denen es ähnlich ergangen ist wie ihr, um die Machtverhältnisse in der Gesellschaft und die vorherrschende Kultur des Schweigens zu durchbrechen.
Abschließend kann gesagt werden, dass im südafrikanischen Gegenwartsroman Vermächtnisse der komplexen Vergangenheit des Landes zu finden sind. Diese werden von den Autorinnen und Autoren aufgegriffen, indem sie ihre Charaktere in einer Gesellschaft leben lassen, deren Realität sie nicht akzeptieren können. Sie werden verrückt und erkranken. Eine Änderung der Gesellschaft bzw. das Durchbrechen der Kultur des Schweigens erlaubt es den Charakteren ein ihren Bedürfnissen angemessenes Leben führen zu können.
South Africa’s past is characterised by violence of various kinds. Colonialism, numerous wars and the Apartheid era have shaped this country’s peoples, their lives and their cultures. For an amount of 46 years, black and coloured people had to suffer under the cruel practices of the white supremacy. Their stories and screams were not heard. They had to endure assaults silently and on their own. Regardless of the fact that this era of separation and segregation ended nearly two decades ago, its legacy is still detectable in the people’s minds and ideas. Despite the efforts of the Truth and Reconciliation Commission to make the stories of individuals heard and to encourage them to verbalise what they had to go through, one can say that South Africa’s culture is shaped by a still prevailing culture of silence. This and the fact that women and children in particular have to face a high level of domestic violence are mirrored in South African narratives as well.
In the course of the literature seminar “The Contemporary South African Farm Novel” which was held by my supervisor Professor Ewald Mengel, I was deeply moved by what the characters in the novels had to endure. I noticed, that some of the characters who were confronted with violent acts against themselves – most of them were women – developed psychological problems in the course of the novel. This paper seeks to discover a link between the South African culture of silence and the violent acts which characters are confronted with. These components are to be considered as the seedbed of the mental malfunctions that are developed in the respective novels. This means that medical as well as psychological concepts and ideas are applied to literary texts. Of course, it has to be emphasised that this paper does not raise the claim to transfer these concepts directly and without reconsideration or reflection. Nevertheless, the revelation of the connection between violence as serious life event and mental illnesses helps to comprehend what the authors may want to express with their works, namely that characters who cannot utter what happened to them literally turn “mad”.
In the section theoretical considerations important ideas are discussed. Due to the fact that trauma has been the focus of numerous diploma theses and published works concerning South African literature, this concept is dealt with in short only. For the reader it is relevant to know what trauma does to the human psyche and how it is defined in order to understand the analyses of the texts. The violent acts depicted in the novels can be classified as serious life events. In addition to this, they are not displayed openly. They are omnipresent but hidden at the same time. Furthermore, this paper provides an introduction to the basic concept of “culture of silence” and its relation to the case of South Africa. In addition to this, the reader is led to the portrayal of relevant mental disorders by being introduced to the concepts of “madness” and “illness” at first. These sections are followed by a depiction of three psychiatric disorders the characters in the novels develop. The possible link between the onset of these and the situations the characters have to deal with is supported by respective literature.
This paper seeks to portray the link between serious life events and a culture of silence as a seedbed of mental disorders concerning the female characters in In the heart of the country by J.M. Coetzee, Gem Squash Tokoloshe by Rachel Zadok and Madlands by Rosemund J. Handler.
Die Geschichte Südafrikas ist geprägt von Kolonialismus, Kriegen und dem Apartheidregime. 46 Jahre lang musste der Großteil der südafrikanischen Bevölkerung unter einer kleinen weißen Minderheit leiden. Was vielen Menschen in dieser Zeit passiert ist, wurde in einen Schleier des Schweigens gehüllt. Die Individuen blieben für sich, ihnen fehlten sowohl die Worte als auch die Zuhörer, die ein Verbalisieren der Geschehnisse möglich machten. Obwohl die „Regenbogennation“ Südafrika heuer auf zwanzig Jahre Demokratie zurückblickt, ist das Vermächtnis der Apartheid-Ära noch stark zu spüren. Trotz der regen Bemühungen der TRC besteht noch immer eine Kultur des Schweigens, die in der Kultur des Landes und daher auch in den Köpfen der Menschen verankert ist. Zudem ist zu bemerken, dass die südafrikanische Kultur noch immer eine patriarchalische ist. Dies, wie auch die Tatsache, dass Frauen und Kinder regelmäßig und in weit verbreiteter Weise mit Gewalt konfrontiert sind, spiegelt sich im zeitgenössischen südafrikanischen Roman wider. Oftmals entwickeln von Gewalt und der Kultur des Schweigens betroffene Charaktere in den Romanen psychische Auffälligkeiten.
Diese Arbeit widmet sich der Sichtbarmachung der Verbindung zwischen der in Südafrika noch immer vorherrschenden Kultur des Schweigens, den daraus resultierenden traumatischen Erlebnissen für die Schwächeren in der Gesellschaft und der Entwicklung psychischer Störungen verschiedenster Schweregrade. Dieser Komplex wird in der vorliegenden Diplomarbeit als das Saatbeet psychischer Störungen betrachtet, welche die nahezu durchgehend weiblichen Charaktere dann entwickeln. Im Teil „Theoretical considerations“ wird der Leser bzw. die Leserin in die Konzepte eingeführt, die dann auf die literarischen Texte angewendet werden. Dazu gehört die Erläuterung des grundlegenden Konzeptes der Kultur des Schweigens, aber auch, wie dieses auf den Fall Südafrika umgelegt werden kann. Es werden des Weiteren die Begriffe Verrücktheit und Krankheit erläutert. Dies führt den Leser bzw. die Leserin dann zur Beschreibung ausgewählter psychischer Erkrankungen, an welchen die Charaktere der analysierten Romane leiden. Dabei wird ein weiteres Mal auf die mögliche Verbindung kritischer Lebensereignisse mit dem Beginn einer geistigen Erkrankung hingewiesen, welche durch einschlägige Literatur gestützt wird.
Aus der Analyse der Romane geht hervor, dass die kritischen Lebensereignisse bzw. Traumata, mit denen die Charaktere zurechtkommen müssen, omnipräsent und verborgen zugleich sind. Der Leser bzw. die Leserin kann nur erahnen, was dem Charakter zugestoßen sein könnte. Die weiblichen Protagonisten gehen unterschiedlich mit ihren Situationen um. Diese Art des Umgangs stellt dann die Weichen für ihr weiteres Leben. Während Magda vermeintlich einsam und halluzinierend ihr Dasein auf ihres Vaters Farm fristet, stellt sich Faith ihrer Vergangenheit und geht gestärkt aus diesem Prozess hervor. Carla gelingt dies ebenfalls; sie widmet ihr weiteres Leben Frauen, denen es ähnlich ergangen ist wie ihr, um die Machtverhältnisse in der Gesellschaft und die vorherrschende Kultur des Schweigens zu durchbrechen.
Abschließend kann gesagt werden, dass im südafrikanischen Gegenwartsroman Vermächtnisse der komplexen Vergangenheit des Landes zu finden sind. Diese werden von den Autorinnen und Autoren aufgegriffen, indem sie ihre Charaktere in einer Gesellschaft leben lassen, deren Realität sie nicht akzeptieren können. Sie werden verrückt und erkranken. Eine Änderung der Gesellschaft bzw. das Durchbrechen der Kultur des Schweigens erlaubt es den Charakteren ein ihren Bedürfnissen angemessenes Leben führen zu können.
South Africa’s past is characterised by violence of various kinds. Colonialism, numerous wars and the Apartheid era have shaped this country’s peoples, their lives and their cultures. For an amount of 46 years, black and coloured people had to suffer under the cruel practices of the white supremacy. Their stories and screams were not heard. They had to endure assaults silently and on their own. Regardless of the fact that this era of separation and segregation ended nearly two decades ago, its legacy is still detectable in the people’s minds and ideas. Despite the efforts of the Truth and Reconciliation Commission to make the stories of individuals heard and to encourage them to verbalise what they had to go through, one can say that South Africa’s culture is shaped by a still prevailing culture of silence. This and the fact that women and children in particular have to face a high level of domestic violence are mirrored in South African narratives as well.
In the course of the literature seminar “The Contemporary South African Farm Novel” which was held by my supervisor Professor Ewald Mengel, I was deeply moved by what the characters in the novels had to endure. I noticed, that some of the characters who were confronted with violent acts against themselves – most of them were women – developed psychological problems in the course of the novel. This paper seeks to discover a link between the South African culture of silence and the violent acts which characters are confronted with. These components are to be considered as the seedbed of the mental malfunctions that are developed in the respective novels. This means that medical as well as psychological concepts and ideas are applied to literary texts. Of course, it has to be emphasised that this paper does not raise the claim to transfer these concepts directly and without reconsideration or reflection. Nevertheless, the revelation of the connection between violence as serious life event and mental illnesses helps to comprehend what the authors may want to express with their works, namely that characters who cannot utter what happened to them literally turn “mad”.
In the section theoretical considerations important ideas are discussed. Due to the fact that trauma has been the focus of numerous diploma theses and published works concerning South African literature, this concept is dealt with in short only. For the reader it is relevant to know what trauma does to the human psyche and how it is defined in order to understand the analyses of the texts. The violent acts depicted in the novels can be classified as serious life events. In addition to this, they are not displayed openly. They are omnipresent but hidden at the same time. Furthermore, this paper provides an introduction to the basic concept of “culture of silence” and its relation to the case of South Africa. In addition to this, the reader is led to the portrayal of relevant mental disorders by being introduced to the concepts of “madness” and “illness” at first. These sections are followed by a depiction of three psychiatric disorders the characters in the novels develop. The possible link between the onset of these and the situations the characters have to deal with is supported by respective literature.
This paper seeks to portray the link between serious life events and a culture of silence as a seedbed of mental disorders concerning the female characters in In the heart of the country by J.M. Coetzee, Gem Squash Tokoloshe by Rachel Zadok and Madlands by Rosemund J. Handler.