Abstract (deu)
Geoszenografie ist ein von der Geophilosophie von Deleuze und Guattari inspirierter Neologismus. Das Präfix „Geo“ ist ein notwendiger Zusatz, um meine Praxis- und Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Szenografie außerhalb des Theaters, innerhalb eines bestimmten Milieus, neu zu verorten. Der Begriff „Milieu“ – nach Deleuze und Guattarian – erlaubt es, die ethnographische Feldforschung, wie sie hauptsächlich in den Sozialwissenschaften betrieben wird, umzubenennen, neu zu konnotieren und als Bereich für empirische Studien und künstlerische Praxis der Geoszenografie zu definieren. Die vorliegende Forschungsarbeit ist folglich praxisinformiert und transdisziplinär.
Für meine Untersuchung wählte ich fünf Beispiele von entwicklungserzwungener Verdrängung und Umsiedlung (Development-Forced Displacement and Resettlement (DFDR)). Dafür besuchte ich vier verschiedene Orte in Frankreich und Portugal , welche von diesem Phänomen betroffen sind, um dort empirische Forschungen durchzuführen. Dazu kam ein Performance-Workshop von Mapa Teatro, deren Arbeitsmethode ebenfalls in meine Analyse integriert wurde. Die Auswahl der Beispiele orientierte sich vor allem an den unterschiedlichen Arten von Interventionen innerhalb des DFDR-Prozesses. Folgende Fälle wurden dabei untersucht: Sozialwissenschaftler, die eine museale Gedenkstätte für das überflutete Dorf Luz bauen; ein durch Eigeninitiative gegründeter Verein von vertriebenen, ehemaligen Bewohnern von Vilarinho da Furna; ein Anthropologe, der ein Archiv zur Erinnerung an das Tal Dordogne gründet; ein Sozialzentrum zur Konstitution von Erinnerungen in einer neu zu gründenden Nachbarschaft sowie ein künstlerisches Laboratorium für neue Dramaturgien, die aus dem Erleben des DFDR-Prozesses von Bario Santa Inés in Bogotá, Colombia, entstanden. Was die Perspektive der Prozesse der Performance und Szenografie betrifft, waren meine Feldforschungen so geplant, dass ich Feste, Zeremonien und andere Veranstaltungen, – die ich als „Inszenierungen“ interpretiere, welche die räumlichen Komplexitäten des DFDR-Prozesses verhandeln – zusehend oder teilnehmend erleben konnte.
Das Konzept von Geoszenografie erlaubt es mir, diese Performance-Prozesse als szenografische Arbeitsweise der Ent- und Wiederterritorialisierung zu identifizieren und zu analysieren.
Szenografie über den Rahmen des Theaters hinaus auszudehnen spiegelt auch eine persönliche Entwicklung wider, wobei künstlerische Praxis, konzeptuelles Denken und kritische Analyse kombiniert werden, um ontologische Gewissheiten in Frage zu stellen und eine philosophische Debatte über die Möglichkeit einer Geoszenografie zu provozieren: eine Szenografie aus dem Milieu mit größerem sozialen und politischen Engagement.