Abstract (deu)
Die vorliegende Arbeit geht von der Hypothese aus, dass Jean-Paul Sartre philosophische Erkenntnisse seines Essays La transcendance de l’Ego in seinem Tagebuchroman La nausée aufgreift und thematisiert. Dabei lässt sich beobachten, dass im Tagebuchroman noch zusätzliche existentialistische Theorien illustriert werden, die ihrerseits keine Pendants im Essay finden. Es stellen sich nun zwei essenzielle Fragen. Zum einen ist es von Bedeutung herauszufinden, ob die Gründe, warum zusätzliche Theorien im Tagbuchroman thematisiert werden, in der Darstellungsweise liegen oder im Inhalt verankert sind. Zudem gilt es zu beantworten, warum die phänomenologischen Theorien des Essays im fiktionalen Rahmen und, genauer, im Genre des Tagebuchromans angewandt werden.
Um präzise Resultate zu erzielen, wurden zuerst die phänomenologischen Theorien, die der Essay und der Tagebuchroman teilen, herausgearbeitet. Darüber hinaus wurden auch die zusätzlichen existenzialistischen Theorien aus dem Tagebuchroman abgeleitet. Anschließend folgte die Analyse der sprachlichen Realisierungen der zuvor erarbeiteten Theorien. Hierbei wurden narrative Konzepte und Kategorien auf den narrativen Text des Tagebuchromans angewandt und bestimmte argumentative Strategien im essayistischen Text erkannt. Der dritte Teil der Analyse bestand darin, sowohl den Essay als auch den Tagebuchroman auf der Fiktionalitäts- und Faktualitätsachse zu lokalisieren und positionieren. Die Analyseinstrumente wurden im Kapitel zu den Theorien und Methoden festgelegt. Dabei wurden nicht nur die Merkmale der beiden Genres, die für die gesamte weitere Arbeit von Bedeutung waren, festgehalten. Auch die Fiktionalitäts- und Faktualitätstheorie wurde im Hinblick auf Besonderheiten im Tagebuchroman und Essay bestimmt. Zudem wurden die für den Tagebuchroman charakteristischen narrativen Konzepte und Kategorien sowie die den Essay bestimmenden Argumentationstechniken herausgefiltert.
Hinsichtlich der Ergebnisse kann vor allem angeführt werden, dass der Einschub existenzialistischer Theorien im Tagebuchroman sich vor allem in inhaltlicher Notwendigkeit begründet. Diese supplementären Theorien können also als komplementäre Einschübe zur Vervollständigung der inhaltlichen Ebene betrachtet werden. Im Hinblick auf die zweite Frage, kann gesagt werden, dass sich Sartre sowohl
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des fiktionalen als auch des faktualen Charakters des Tagebuchromans bedient, um seine philosophischen Erkenntnisse effektiv zu vermitteln. Um dieses Ziel zu verfolgen, verzichtet er sogar darauf, die narratologischen Konventionen des Tagebuchromans einzuhalten. Dabei nutzt Sartre besonders das fiktionale Netz beziehungsweise die fiktionale Strukturierung des Tagebuchromans, um eine gezielte Darstellung seiner philosophischen Erkenntnisse verfolgen zu können. Auch kann er im Rahmen der Fiktionalität, den Erzähler und Protagonisten Antoine Roquentin mit bestimmten Attributen und Eigenschaften ausstatten, sodass sich dieser besonders für eine psychischerkenntnistheoretische Entwicklung eignet. Zu diesen fiktionalen Strategien gesellt sich die Absicht, die phänomenologischen und existenzialistischen Theorien ebenfalls mithilfe faktualer Strategien gezielt zu übermitteln. Dabei zielt Sartre darauf ab, die Intimität eines faktualen Tagebuchs mittels introspektiver Narration zu erzeugen. Diese narrativen Techniken, wie beispielsweise der innere Monolog, lassen sich jedoch nicht mit den Konventionen des Tagebuchromans, der eine retrospektive Erzählung zum Gegenstand hat, vereinen. Zudem bringt Sartre sich und Roquentin auf narratologischer Ebene äußerst nahe, indem er beispielsweise durch die gemeinsame Verachtung einer bestimmten Form des Humanismus zwischen dem Autor, also sich, und dem Erzähler eine enge Relation herstellt. Durch die introspektive Erzählweise sowie dadurch, dass er die Stimme Roquentins zu übernehmen scheint, kann Sartre seine philosophischen Theorien effizienter sowie effektiver übermitteln. Er bedient sich also des fiktionalen Rahmens des Tagebuchromans aufgrund dessen fiktionalen sowie faktualen Merkmalen, die es ermöglichen, sein vorangestelltes Ziel der wirksamen Vermittlung seiner Theorien zu verwirklichen.