Abstract (deu)
Gehirne versuchen die Zukunft auf der Grundlage ihrer sensorischen Vergangenheit vorhersagen. Beim Pawlowschen Lernen (PL) werden hervorstechende Sinnesreize in der Umwelt, wie konditionierte (CS) und unkonditionierte Stimuli (US), in Zusammenhang gebracht, um die Unsicherheit über den Wert des CS für den Organismus zu reduzieren und das Verhalten dementsprechend anzupassen. Die funktionelle Neuroanatomie identifizierte verschiedene neuronale Substrate über zerebrale Hierarchien hinweg, die für PL notwendig sind. Diese schließen kortikale, striatale und Hirnstammregionen mit ein, was auf eine verteilte Verarbeitung von Pawlowschen Stimuli schließen lässt. Die Kodierung von komplementären Eigenschaften dieser Stimuli und deren Interaktion könnte daher eine synergistische Eigenschaft neuronaler Systeme für deren optimalen Funktion darstellen. Darüber hinaus ist der zugrundeliegende Informationsfluss zwischen hierarchischen Ebenen in definierten PL-Phasen weitgehend unbekannt.
Ziel dieser Arbeit ist es, (i) die hierarchische Kodierung verschiedener Reizeigenschaften, wie z.B. Valenz und Salienz kortiko-limbischen Netzwerken zuzuordnen und (ii) kausale Interaktionen von Netzwerkelementen im Kontext des PL zu etablieren, um verallgemeinerbare Prinzipien für die Ätiologie psychiatrischer Zustände mit abweichender hierarchischer Schaltkreisinteraktion abzuleiten.
Durch die Verwendung von funktioneller MRT, in vivo Aktivitätsaufzeichnungen und neuronaler Schaltkreismanipulation während eines diskriminatorischen PL-Prozesses wurde in dieser Arbeit ein Schaltkreismodul identifiziert, welches die Unsicherheit über den Wert des CS durch die Nutzung instruktiver interozeptiver Informationen auflöst. Dabei löst die zentrale Amygdala (CE) entscheidende Bottom-Up-Signale über das cholinerge basale Vorderhirn aus, um Stimulus-assoziierte interozeptive Modelle im insularen Kortex zu rekrutieren, die die CS-Diskriminierung in der CE erlauben. Zusätzlich wird diese Top-Down-instruierte Assoziation von Stimulus und Verhalten durch ein permissives, US-abhängiges und positives Vorhersagefehlersignal im Langzeitgedächtnis der CE gespeichert, welches von dopaminergen Neuronen im ventralen periaquäduktalen Grau und dorsalen Raphe-Kern (vPAG/DR) zur CE aufsteigt.
Zusammengefasst stellt diese Arbeit PL als einen graduellen Modellbildungsprozess dar, der verschiedene hierarchische Ebenen umfasst (IC, CE und vPAG/DR), um interozeptionsbasierte Wertinformationen in exterozeptive Stimulusrepräsentationen zu integrieren. In diesem Prozess wirken verteilte Stimuluseigenschaften synergistisch zusammen, um eine adaptive Verhaltensreaktion zu ermöglichen. Darüber hinaus liefert diese Arbeit ein mechanistisches Modell einer dysfunktionalen Netzwerkintegration, welche möglicherweise der Intoleranz gegenüber Unsicherheit, ein Kennzeichen von Autismus und verwandten psychiatrischen Störungen, zu Grunde liegt.