Abstract (deu)
In Bruder Hermanns Versdichtung „Yolanda“ des ausgehenden 13. Jahrhunderts wird von der subversiven minne zwischen einer jungen höfischen Frau und Gott erzählt. Darin agiert eine weibliche Figur, Yolanda, als hauptsächliche Handlungsträgerin in einer umfassenden Erzählwelt und sucht ihre Zugehörigkeit zwischen zwei konkurrierenden semantischen Feldern, dem Hof und dem Kloster. Gleichzeitig obliegt ihr von außen die zwingende Integration in das Eheschema: Feudale Machtstrukturen und heteronormative Wertvorstellungen beherrschen die höfischen und geistlichen Inhalte dieser Erzählung nämlich gleichermaßen. Die zentralen Forschungsfragen der Masterarbeit beschäftigen sich mit der literarischen Verfasstheit dieser Figur: Welchen weiblich-höfischen Vorbildern der mittelalterlichen Erzählliteratur ist sie ästhetisch und funktional nachempfunden? Welche legendarischen Topoi werden eingesetzt, um ihre Beziehung zu Gott darzustellen und zu problematisieren, und wie werden diese innerhalb der romanhaften Gesamtstruktur umgedeutet? Wie verhält sich diese Heldin schließlich zu den männlichen Hauptfiguren, deren Handeln höfische Erzähltexte traditionellerweise strukturieren? Die Arbeit setzt sich also mit den Implikationen einer weiblichen Hauptfigur auseinander, die dem höfischen Weiblichkeitsmodell nachgebildet ist, und beschäftigt sich auf diese Weise auch generell mit den Konzeptionen und Zuschreibungen höfischer Frauenfiguren in der männlichen Erzähltradition des Mittelalters.