Abstract (deu)
Hunde (Canis familiaris) besitzen nicht nur die Kompetenz, unterschiedliche Gesichtsausdrücke beim Menschen zu unterscheiden, sondern sind außerdem fähig, ihnen die entsprechende Emotion korrekt zuzuordnen. In der Wissenschaft wird schon lange darüber diskutiert, inwiefern Domestikation und individuelle Erfahrung an der Entstehung einer solch komplexen sozial-kognitiven Fähigkeit eine Rolle spielen. Ein möglicher Ansatz, den Ursprung dieses zwischenartlichen Verständnisses zu erforschen, ist, Hunde mit unterschiedlichen Erfahrungen im Umgang mit Menschen miteinander zu vergleichen. In vorliegender Studie wurden freilebende Hunde in Marokko mit in Wien lebenden Haushunden in einem Experiment zur Erkennung von menschlichen Gesichtsausdrücken miteinander verglichen. Der Versuch, im Freien abgehalten, verlief folgendermaßen: Die Experimentatorin aß etwas, spielte dem Hund einen von drei Gesichtsausdrücken (fröhlich, wütend, neutral) vor und ließ anschließend ihr Essen absichtlich fallen. Unsere Resultate zeigten, dass Haushunde, die in Parks getestet wurden, das Essen sowohl unter fröhlicher als auch neutraler Kondition eher wegfraßen als freilebende Hunde. Zudem wandten, unabhängig von Gruppenzugehörigkeit, die Hunde ihren Blick am häufigsten bei einem wütenden Gesichtsausdruck von der Person ab; alle Hunde interpretierten also die Bedeutung dieses Gesichtsausdruckes richtig. Auch stellten wir fest, dass die freilebenden Hunde allgemein mehr mit ihrem Schwanz wedelten und auch größere Distanz zur Experimentatorin bevorzugten als Haustierhunde. Unsere Studie lässt uns schlussfolgern, dass Erfahrung mit Menschen allein nicht entscheidend ist für Hunde, Emotionen vom menschlichen Gesicht ablesen zu können. Allerdings können wir auch feststellen, dass in der von uns gewählten Versuchsanordnung allein durch den gewählten Gesichtsausdruck keine größere Verhaltensänderung bei den Hunden hervorzurufen ist.