Titel
Von der Geognosie zur Geologie. Eduard Sueß (1831 – 1914) und die Entwicklung der Erdwissenschaften an den österreichischen Universitäten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Abstract
Wenn man sich mit der Genesis der modernen Geowissenschaften in Österreich auseinandersetzt, stößt man geradezu zwangsläufig auf den Namen von Eduard Sueß. Dieser hat durch seine bahnbrechenden wissenschaftlichen Leistungen die österreichischen Erdwissenschaften, die auf universitärem Feld bis in die 1860er Jahre doch einigermaßen rückständig und traditionell interpretiert waren, auf ein modernes Niveau gehoben. Freilich waren diese Leistungen nur möglich vor dem Hintergrund massiver staatlicher Eingriffe in das Unterrichtswesen im Allgemeinen und in die universitären Strukturen im Besonderen. Die von Franz Exner (1802–1853) und Hermann Bonitz (1814–1888) getragene Reform betreffend die österreichischen Gymnasien sowie die ebenfalls von Exner erheb¬lich mitgestaltete Universitätsreform des Unterrichtsministers Leo Graf Thun-Hohenstein (1811–1888), die insbesondere eine deutliche Niveauhebung der Studien an der Philosophischen Fakultät zur Folge hatten, schufen erst jene günstigen Rahmenbedingungen, die letztlich zu einem deutlichen Emporblühen gerade der naturwissenschaftlichen Disziplinen in Österreich führten. Einige erdwissenschaftliche Fächer wurden durch diese Reform eigentlich erst begründet wie die Geologie und die Paläontologie. Erst mit der genannten Universitätsreform der Jahre 1848 und 1849 wurden aus den Philosophischen Fakultäten, die zuvor bloß auf die drei höheren Fakultäten der Theologie, Jurisprudenz und Medizin vorbereitet hatten, echte Forschungsfakultäten, die Gelehrten vom Range eines Eduard Sueß die Möglichkeiten an die Hand gaben, sich und ihre Wissenschaft zu entwickeln. Im Folgenden wird daher vor allem auf Sueß’ Tätigkeit als Universitätslehrer sowie als erdwissenschaftlich führender Forscher Österreichs, der weit über die Grenzen der Habsburgermonarchie bekannt geworden ist, einzugehen sein. Freilich soll auch dargestellt werden, wie Eduard Sueß und seine ebenfalls der jüngeren Erdwissenschaftergeneration angehörenden Kollegen, wie etwa Carl Ferdinand Peters (1825–1881), gegen den bis in die 60er Jahre des 19. Jahrhunderts vorherrschenden Primat der Mineralogie und gegen althergebrachte Methoden aus der rein deskriptiven Naturgeschichte, die zu dieser Zeit keinesfalls mehr dem modernsten Forschungsstand entsprachen, anzukämp¬fen hatten. Die von Friederich Mohs (1773–1839) im Vormärz entwickelte naturhistorische Methode und ihre Anwendung auf die Mineralogie, die von dessen Epigonen Franz Xaver Maximilian Zippe (1791–1863) an der Universität Wien heftig und zäh verteidigt wurde, hat den wissenschaftlichen Fortschritt im Bereich der angewandten Erdwissenschaften in Österreich erheblich retardiert.Zudem sollen die grundlegenden geowissenschaftlichen Thesen, die Sueß vor allem in seinen bahnbrechenden Werken „Die Entstehung der Alpen“ und „Das Antlitz der Erde“ formuliert hat, in ihren Grundzügen dargestellt werden. Hierbei wird aber zu beachten sein, dass Sueß neben seiner Tätigkeit als akademischer Lehrer auch stets die praktische Seite der Erdwissenschaften im Auge hatte, also auch auf diesem Gebiet Pionierhaftes vollbracht hat. Dies erhellt nicht nur aus den bekannten Leistungen für die Stadt Wien, wie sein maßgeblicher Anteil an der Errichtung der Hochquellenwasserleitung und bei der Durchführung der Donauregulierung deutlich belegen, sondern auch daraus, dass Sueß die Geologie immer als Grundlage für den Bergbau gesehen hat. Sueß’ Gesinnung, die Wissenschaft mit dem täglichen Leben in Verbindung zu setzen, wird auch in seiner politischen Funktion als Wiener Gemeinderat, niederösterreichischer Land¬tagsabgeordneter und Landesrat sowie als Abgeordneter zum österreichischen Reichsrat deutlich.
Objekt-Typ
Sprache
Deutsch [deu]
Persistent identifier
https://phaidra.univie.ac.at/o:244218
Erschienen in
Titel
Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt
Band
149
Ausgabe
2+3
Seitenanfang
375
Seitenende
390
Erscheinungsdatum
01.01.2009
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