Abstract (deu)
Basierend auf der Bearbeitung des äußerst seltenen Werks „Beschreibung einer Legation und Reise von Wien aus Ostereich auff Constantinopel, durch den wolgebornen herrn, herrn David Ungnaden, Freyherrn zu Sonneck und Pfandsherrn auff Bleyburgk, auß römischer keyserlichen Majestät befehlig und abforderung an den türckischen Keyser, anno 72 verrichtet.“, das im Jahre 1582 durch einen gewissen M. Franciscus Omichius in Druck gegeben wurde, und von sechs Briefen des kaiserlichen Gesandten David Ungnad und seines Sekretärs Eduardo de Provisionali, die sie während ihrer Mission an die Hohe Pforte im Jahre 1572 verfasst haben, soll die vorliegende Arbeit einen Beitrag zur Geschichte der habsburgisch-osmanischen Beziehungen leisten.
Im Interesse der eigenen Macht- und Existenzsicherung waren die Habsburger schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts gezwungen – parallel zu den immer wieder aufflackernden militärischen Auseinandersetzungen –, einen diplomatischen Ausgleich mit den Osmanen zu suchen. Diese Entwicklung trug in weiterer Folge maßgeblich zur Herstellung eines Kräftegleichgewichts bei, das sich wohl ohne die Mitwirkung der offiziellen Diplomaten und geheimen Agenten kaum eingestellt hätte. Was sich hier überdies ansatzweise andeutet, ist die bedeutende Rolle, die die Beziehungen zwischen der Habsburgermonarchie und dem Osmanischen Reich bei der Herausbildung der modernen Diplomatie und Geheimdiplomatie übernommen haben. Als eine Art „Konterfei“ des Kaisers avancierten die habsburgischen Diplomaten an der Hohen Pforte zu den wichtigsten Darstellern der herrscherlichen Repräsentation. Eine besondere Bedeutung kam in diesem Zusammenhang den Geschenken zu, die sie bei ihrer Mission oftmals überbrachten, da diese als Tribut aufgefasst wurden und ihre Überbringung als Unterwerfung angesehen wurde. Um Verhandlungen mit der Gegenseite allerdings überhaupt erst zu ermöglichen, mussten die habsburgischen Delegierten bestimmte Eigenheiten des Zeremoniells und der Verhandlungsführung an der Hohen Pforte übernehmen. Dabei ergab es sich fast wie von selbst, dass die Emissäre zwei durch tiefe weltanschauliche Gräben getrennte Kulturen einander nähergebracht haben , wodurch die Botschafter – ob nun Präsentgesandter oder Resident – und die Teilnehmer an den diplomatischen Missionen zu den wohl wichtigsten Trägern des Kulturtransfers wurden.
Neben der Erfüllung ihrer repräsentativen Aufgaben oblag es den Botschaftern aber vor allem, sich auf dem Gebiet der Informationserhebung zu betätigen und sich im Zuge dessen auch dem zweitältesten Gewerbe der Welt, der Spionage, zu widmen. Die diplomatische Korrespondenz der habsburgischen Gesandten kombinierte dabei die aktuelle Schilderung des Tagesgeschehens mit Zusammenfassungen der Ereignisse während eines größeren Zeitraums oder einer Hintergrundanalyse der politischen Verhältnisse. Bis zur Etablierung der habsburgischen Residenten wurden diese Zusammenfassungen von den Diplomaten stets als Endberichte, sog. Finalrelationen, nach ihrer Rückkehr aus Istanbul verfasst. Ihr Inhalt konzentrierte sich im Wesentlichen auf die Beschreibung der Reise und den Verlauf der Verhandlungen. Nach 1547 änderte sich die Form der Berichterstattung, und die Darstellungen nahmen den Charakter von in kürzeren Abständen abgefassten Briefen an, bei deren Inhalt es sich um eine Zusammenfassung der tages- bzw. wochenaktuellen Neuigkeiten handelte, in die das Hintergrundwissen implizit mit einfloss. Sowohl diese offiziellen Berichte als auch die etwaige private Korrespondenz dieser Gesandten und die oft im Rahmen einer diplomatischen Mission entstandenen Reisebeschreibungen vermitteln eine Fülle an Informationen aus verschiedenen den Botschaftern und Privatpersonen zugänglichen Lebensbereichen und stellen so eine wichtige Quelle für zahlreiche Felder der Geschichtsforschung dar.