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Title (deu)
Avantgarde und sozialistischer Realismus
Sowjetische Architektur zwischen Kunst und Politik ; (1917-1937)
Parallel title (eng)
Avant-Garde and socialist realism
Author
Matthäus Stracke
Adviser
Andreas Kappeler
Assessor
Andreas Kappeler
Abstract (deu)

Die russisch-sowjetische Architektur der 1920er und 1930er Jahre gehört zu den heterogensten Perioden in der Geschichte Russlands. Mit etwas Verzögerung zu den meisten anderen bildenden und darstellenden Künsten, aber noch deutlich vor den politischen Umwälzungen von 1917, setzte ein neuer Diskurs über Ästhetik, Sinn und Zweck von Architektur ein.
Wesentliches Merkmal der Entwicklung bis Ende der 1920er Jahre war die Ablehnung historisierender eklektizistischer Architektur durch die dominierende Avantgarde und selbst die Politik. Im Wettstreit um die Vorherrschaft in der Architekturszene wurden zahlreiche Organisationen und Verbände gegründet. Als die zwei bedeutendsten Vereinigungen der neuen Architektur erwiesen sich die 1923 gegründete „Assoziation neuer Architekten“ (ASNOWA) und der 1925 entstandene „Verband moderner Architekten“ (OSA).
Für die Rationalisten, wie sich die Mitglieder der ASNOWA bezeichneten, stand die wissenschaftliche Erforschung objektiver psycho-physiologischer Gesetzmäßigkeiten im Wahrnehmungsprozess an erster Stelle. Erst die Erkenntnisse dieser Untersuchungen lieferten die Grundlage für die architektonische Formensprache und Raumkonzeption.
Die Konstruktivisten im OSA bezeichneten hingegen die utilitaristische und soziale Zweckbestimmtheit eines Raumes als ausschlaggebende Faktoren im Formfindungsprozess. Durch funktionelle Architektur sollte auf soziale Strukturen und die Psyche des Menschen Einfluss genommen werden.
Mit der Herausbildung des Stalinschen Machtapparates und der 1929 einsetzenden „Revolution von oben“ begannen sich zunehmend stilistisch unscharfe Positionen in der Architekturszene durchzusetzen. Die neu gegründete „Allunionsvereinigung proletarischer Architekten“ (WOPRA) erhob den Anspruch, alleinige Vertreterin der Architektur der proletarischen Massen zu sein.
Während Zwangskollektivierung und Industrialisierung im Namen des „Aufbaus des Sozialismus in einem Land“ Millionen von Menschenopfern forderten, war man auf Seite der Architekten vorwiegend mit inneren Streitigkeiten und Konkurrenzkämpfen beschäftigt. Das Versäumnis der Avantgarde, sich gegenüber der Politik als geschlossene Kraft zu präsentieren, hatte die Zusammenfassung aller Architektenvereinigungen im „Unionsverband sowjetischer Architekten“ (SSA, 1932) zur Folge.
Die nunmehr von politischer Seite bestimmte Doktrin des „Sozialistischen Realismus“ verlangte die „Darstellung des Lebens in seiner revolutionären Entwicklung, national in der Form und sozialistisch im Inhalt.“ Die verpflichtende Ästhetik manifestierte sich im Ergebnis des Wettbewerbs um den Palast der Sowjets von 1931-1933.
Auch unabhängig der politischen Bedingungen hatte es deutliche Tendenzen zu einer Wende gegeben, und besonders Einzelpersonen innerhalb der Architekturszene waren es, die aus persönlichen Motiven zur Vernichtung avantgardistischer Architekten beitrugen.
Neben den ästhetisch völlig offensichtlichen Unterschieden zwischen Avantgarde und Sozialistischem Realismus lassen sich jedoch auf ideologischer Ebene einige Parallelen bzw. Kontinuitäten erkennen. Diese ergaben sich insbesondere aus dem gemeinsamen Interesse an Macht und dem völligen Umbau der Gesellschaft in kultureller und sozialer Hinsicht. Auch der Bruch mit dem kapitalistischen Bürgertum war beiden Konzepten zueigen. Der angestrebte Weg zur Unsetzung der jeweiligen Ideologie war jedoch ein sehr unterschiedlicher und führte schließlich zum Untergang der russisch-sowjetischen Avantgarde der 1920er Jahre.

Keywords (eng)
HistorySoviet UnionRussiaarchitectureAvant-GardeKonstructivismRationalismsocialist realism
Keywords (deu)
GeschichteSowjetunionRusslandAvantgardeArchitekturKonstruktivismusRationalismusSozialistischer Realismus1920erEklektizismus
Subject (deu)
Subject (deu)
Type (deu)
Persistent identifier
https://phaidra.univie.ac.at/o:1249465
rdau:P60550 (deu)
185 S.
Number of pages
198
Members (1)
Title (deu)
Avantgarde und sozialistischer Realismus
Sowjetische Architektur zwischen Kunst und Politik ; (1917-1937)
Parallel title (eng)
Avant-Garde and socialist realism
Author
Matthäus Stracke
Abstract (deu)

Die russisch-sowjetische Architektur der 1920er und 1930er Jahre gehört zu den heterogensten Perioden in der Geschichte Russlands. Mit etwas Verzögerung zu den meisten anderen bildenden und darstellenden Künsten, aber noch deutlich vor den politischen Umwälzungen von 1917, setzte ein neuer Diskurs über Ästhetik, Sinn und Zweck von Architektur ein.
Wesentliches Merkmal der Entwicklung bis Ende der 1920er Jahre war die Ablehnung historisierender eklektizistischer Architektur durch die dominierende Avantgarde und selbst die Politik. Im Wettstreit um die Vorherrschaft in der Architekturszene wurden zahlreiche Organisationen und Verbände gegründet. Als die zwei bedeutendsten Vereinigungen der neuen Architektur erwiesen sich die 1923 gegründete „Assoziation neuer Architekten“ (ASNOWA) und der 1925 entstandene „Verband moderner Architekten“ (OSA).
Für die Rationalisten, wie sich die Mitglieder der ASNOWA bezeichneten, stand die wissenschaftliche Erforschung objektiver psycho-physiologischer Gesetzmäßigkeiten im Wahrnehmungsprozess an erster Stelle. Erst die Erkenntnisse dieser Untersuchungen lieferten die Grundlage für die architektonische Formensprache und Raumkonzeption.
Die Konstruktivisten im OSA bezeichneten hingegen die utilitaristische und soziale Zweckbestimmtheit eines Raumes als ausschlaggebende Faktoren im Formfindungsprozess. Durch funktionelle Architektur sollte auf soziale Strukturen und die Psyche des Menschen Einfluss genommen werden.
Mit der Herausbildung des Stalinschen Machtapparates und der 1929 einsetzenden „Revolution von oben“ begannen sich zunehmend stilistisch unscharfe Positionen in der Architekturszene durchzusetzen. Die neu gegründete „Allunionsvereinigung proletarischer Architekten“ (WOPRA) erhob den Anspruch, alleinige Vertreterin der Architektur der proletarischen Massen zu sein.
Während Zwangskollektivierung und Industrialisierung im Namen des „Aufbaus des Sozialismus in einem Land“ Millionen von Menschenopfern forderten, war man auf Seite der Architekten vorwiegend mit inneren Streitigkeiten und Konkurrenzkämpfen beschäftigt. Das Versäumnis der Avantgarde, sich gegenüber der Politik als geschlossene Kraft zu präsentieren, hatte die Zusammenfassung aller Architektenvereinigungen im „Unionsverband sowjetischer Architekten“ (SSA, 1932) zur Folge.
Die nunmehr von politischer Seite bestimmte Doktrin des „Sozialistischen Realismus“ verlangte die „Darstellung des Lebens in seiner revolutionären Entwicklung, national in der Form und sozialistisch im Inhalt.“ Die verpflichtende Ästhetik manifestierte sich im Ergebnis des Wettbewerbs um den Palast der Sowjets von 1931-1933.
Auch unabhängig der politischen Bedingungen hatte es deutliche Tendenzen zu einer Wende gegeben, und besonders Einzelpersonen innerhalb der Architekturszene waren es, die aus persönlichen Motiven zur Vernichtung avantgardistischer Architekten beitrugen.
Neben den ästhetisch völlig offensichtlichen Unterschieden zwischen Avantgarde und Sozialistischem Realismus lassen sich jedoch auf ideologischer Ebene einige Parallelen bzw. Kontinuitäten erkennen. Diese ergaben sich insbesondere aus dem gemeinsamen Interesse an Macht und dem völligen Umbau der Gesellschaft in kultureller und sozialer Hinsicht. Auch der Bruch mit dem kapitalistischen Bürgertum war beiden Konzepten zueigen. Der angestrebte Weg zur Unsetzung der jeweiligen Ideologie war jedoch ein sehr unterschiedlicher und führte schließlich zum Untergang der russisch-sowjetischen Avantgarde der 1920er Jahre.

Keywords (eng)
HistorySoviet UnionRussiaarchitectureAvant-GardeKonstructivismRationalismsocialist realism
Keywords (deu)
GeschichteSowjetunionRusslandAvantgardeArchitekturKonstruktivismusRationalismusSozialistischer Realismus1920erEklektizismus
Subject (deu)
Subject (deu)
Type (deu)
Persistent identifier
https://phaidra.univie.ac.at/o:1249466
Number of pages
198