Abstract (deu)
In den Anfaengen der Neuen Frauenbewegung stand die Befreiung des Frauenkoerpers und dessen Wiederaneignung aus patriarchaler Vormundschaft und Kontrolle im Mittelpunkt feministischen Protests. Aktionen zur Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, die Organisierung von Selbstuntersuchungen und Selbsthilfegruppen und die Errichtung von Frauengesundheitszentren waren Ausdruck dieses Auf/Begehrens. Gesundheit, Krankheit und die Sexualitaet von Frauen wurden im Zusammenhang mit den unterdrueckenden Verhaeltnissen gesehen, in denen Frauen leben. Mit der Etablierung des gender-Begriffs als Analysekategorie feministischer Forschung kam es jedoch zu einer sukzessiven Abwendung von der koerperlich/leiblichen Dimension weiblichen Daseins und zu deren theoretischen Abtrennung als sex, das an die Naturwissenschaften delegiert, aus der philosophischen Reflexion ausgeklammert wurde. Judith Butlers Theorie von der diskursiven Konstruktion der Geschlechter und ihre These, dass "sex immer schon gender gewesen sei", hat diese Abwendung vom Leib/lichen zu einem postfeministischen Ende gebracht. Unter dem Leitmotiv einer "Wiedergewinnung des Koerpers" wird in der vorliegenden Arbeit einerseits moeglichen Ursachen dieser latenten "Somatophobie" hegemonial gewordener Stroemungen des feministischen Diskurses auf den Grund gegangen, und andererseits versucht theoretische Alternativen dazu zu erschliessen. Simone de Beauvoir erweist sich in dieser Hinsicht als Schluesseltheoretikerin. Als Begruenderin der gegenwaertigen feministischen Philosophie hat sie das feministische Verstaendnis des weiblichen Koerpers entscheidend (mit)gepraegt. Nach einer euphorischen ersten Rezeptionsphase wurde ihr Denken jedoch der Koerperfeindlichkeit, ja der Misogynie und eines rigiden (maskulinistischen) Dualismus geziehen und galt lange Zeit als antiquiert. Im Unterschied zu dieser Rezeption zeigt die vorliegende Untersuchung die grosse Bedeutsamkeit sowohl des weiblichen Koerpers, als auch phaenomenologischer Theoreme, in deren Mittelpunkt das Verstaendnis des Koerpers als gelebter Koerper, als Leib steht, fuer Beauvoirs Denken auf. Dieses kann fuer aktuelle feministische Frage-und Problemstellungen fruchtbar gemacht werden.