Abstract (deu)
Die sowjetische Besetzung Österreichs zwischen 1945 und 1955 hatte nicht nur auf das politische, ökonomische und soziale Leben des Landes einen starken Einfluss, sondern auch auf sein Kulturleben. Kultur hatte im sozialistischen System einen besonders hohen Stellenwert, da sie als Grundvoraussetzung zur Bildung einer fortschrittlichen Gesellschaft angesehen wurde. Im Kalten Krieg wurde sie allerdings immer mehr als Propagandawaffe gegen die ökonomische Übermacht des Westens eingesetzt, um Österreich langfristig auf den Weg zu einer Volksdemokratie und damit unter den Einfluss der Sowjetunion zu bringen. Diese Bemühungen wurden von der österreichischen Bevölkerung mit großer Mehrheit abgelehnt, weil sie die von den Sowjets angebotene „Kultura“ als Tarnungsmanöver einer sowjetischen Machtübernahme in Österreich betrachtete. Besonders nach dem Streik 1950 wurden die Sowjets und die mit ihnen verbündeten österreichischen Kommunisten aus dem Kulturleben so weit wie möglich ausgegrenzt, so dass die sowjetfreundlichen Kulturinstitutionen nur noch ein Nischendasein führen konnten. Diese Phase ging bis zum Staatsvertrag. Danach wurden alle Kulturinitiativen der Sowjets in Österreich (Neues Theater in der Scala, Wien-Film am Rosenhügel etc.) schnell liquidiert. Die daran beteiligten Österreicher waren im Kulturleben für lange Jahre stigmatisiert.
Der sozialistische Kulturbegriff wurde von der Sowjetunion unter Stalin als Kampfbegriff ihrer Eigeninteressen missbraucht. Erst lange danach fanden einige der damals gestellten Forderungen (vor allem im österreichischen Bildungssystem) Eingang in die österreichische Gesellschaftspolitik.