Abstract (deu)
Vom Mittelalter an bis zum Ende der Donaumonarchie haben Griechen oder Angehörige des
griechischen Kulturkreises in Wien immer wieder eine große Rolle gespielt.
Im Mittelalter waren es die byzantinischen Prinzessinnen mit ihrem Gefolge, die durch
diverse Heiraten an den Babenberger Hof kamen, in der Neuzeit die griechischen Kaufleute,
die die Träger des Orienthandels über den Balkan mit den Osmanen waren. Das kulturelle
Leben im 19. Jahrhundert wäre ohne das großzügige Mäzenatentum reicher Unternehmer
griechischen Ursprungs um vieles ärmer gewesen.
Bedingt durch den wachsenden Orienthandel kam es in Wien im 18. Jahrhundert zu einem
starken Zuzug griechischer Kaufleute, wobei die nationale Zuordnung schwerfällt. Die
Bezeichnung „Griechen“ bezog sich weder auf die ethnische Herkunft noch auf ein
eventuelles Nationalbewusstsein. Sie stand für eine Gruppe von Kaufleuten und Frächtern
südosteuropäischer Herkunft, der neben Griechen auch Albaner, Mazedonier, Serben,
Bulgaren, Rumänen, Aromunen und Vlachen angehörten. Das, was sie verband und unter
dieser Bezeichnung erscheinen ließ, war die gemeinsame orthodoxe Konfession, die in
Geschäften verwendete Sprache und die Zugehörigkeit zum byzantinisch-griechischen
Kulturkreis.
Viele Kaufleute aus dem südosteuropäischen Wirtschaftsraum hatten ihre Karriere als
Maultiertreiber begonnen. Die tüchtigsten und risikofreudigsten unter ihnen wurden
Fuhrunternehmer und die, welche damit Erfolg hatten, begannen einen Import-Exporthandel
auf eigene Rechnung und Gefahr. Später betätigten sich fast alle Kaufleute als Geldverleiher,
manche unter ihnen wurden Bankiers von weitreichender Bedeutung. Diese neuen Finanziers
in Wirtschaft und Industrie in Österreich, die ihre Wurzeln auf dem Balkan hatten, hatten aber
meist kosmopolitische Interessen und verdrängten zum Teil ihre ethnische Identität. Dies
geschah zum einen durch die Annahme eines völlig neuen, großbürgerlichen Lebensstils, zum
anderen durch Eheschließung mit Partnern, die von außerhalb des eigenen ethnisch-religiösen
Kulturkreises kamen.
Die Geschichte der Familie Zepharovich macht nicht nur das oben gesagte anschaulich, sie
zeigt auch die Offenheit und die soziale Durchlässigkeit der Gesellschaft in Wien im 18.
Jahrhundert.
Daniel Zepharovich kam Mitte des 18. Jahrhunderts im Zuge dieser Migrationsbewegung
nach Wien. Durch seine Tüchtigkeit und Loyalität zur Regierung gelang es ihm bald, in den
Staatdienst einzutreten und in der Finanzverwaltung ein hohes Amt zu erlangen. Durch
Eigeninitiative und in Zusammenarbeit mit dem Bankier Johann Fries bemühte er sich um die
Intensivierung des Orienthandels, wobei er sich besonders um die Steigerung der Ausfuhren
erbländischer Produkte in das Osmanische Reich verdient machte. Auf Grund seiner
wirtschaftlichen Verdienste in den erblichen Adelsstand erhoben gelang es ihm, seinen
gesellschaftlichen Aufstieg durch die gezielte Verheiratung seiner Kinder zu festigen. Diese
neuen Verbindungen bildeten ein soziales Netzwerk und verankerten ihn in der Wiener
Gesellschaft. Alle seine männlichen Nachkommen traten in den Staatsdienst. Viktor
Zepharovich erwarb sich besondere Verdienste auf dem Gebiet der Wissenschaft, Ludwig
Zepharovich im Dienste der Diplomatie.
So ist die Geschichte der Familie Zepharovich stellvertretend für viele andere griechische
Familien die Geschichte einer geglückten Integration, die allen Beteiligten nur Vorteile
brachte.