Die vorliegende Arbeit untersucht den Topos „Amerika“ in Luis Trenkers Film Der verlorene Sohn (D 1934).672 Trenker tritt als Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller auf. Der Film ist ästhetisch und inhaltlich positioniert in der späten Weimarer Republik, dem Aufstieg des Nationalsozialismus. Nach Siegfried Kracauer weisen viele Filme dieser Ära bereits auf eine Eingliederung in die autoritären Strukturen des NS-Systems hin und tragen Elemente der faschistischen Ideologie. Auch Der verlorene Sohn propagiert eine reaktionäre Ideologie, die mit fortschrittlicher Kameratechnik und innovativer Bildgestaltung transportiert wird – ein Charakteristikum des Bergfilmgenres, in dem Luis Trenkers Schaffen seinen
Anfang nimmt und das Ende der Zwanzigerjahre seinen Höhepunkt erreicht.
Der Film transportiert Bilder und Wahrnehmungen jenes Landes, das bereits in den Zwanzigerjahren zum Referenzpunkt wichtiger kultureller und wirtschaftlicher Debatten wird. Die Analyse der auf mehreren Ebenen – narrativ, visuell, auditiv – entworfenen Bilder von „Amerika“ wird in zeitgenössische deutsche Diskurse über dieses Land eingebunden. Dabei geht es weniger um das „reale“ „Amerika“, sondern darum, womit es in der deutschen Diskussion verbunden und besetzt wird – also um deutsche Projektionen und Imaginationen, die in Feuilleton, Film und Literatur ihren
Niederschlag finden sowie in politische Auseinandersetzungen einfließen.
„Amerika“ funktioniert in den Diskursen der Zwanziger- und Dreißigerjahre als Chiffre für Moderne, Modernisierung, Rationalisierung und Massenkultur. Einfluss und Übernahme solcher Entwicklungen in Deutschland werden unter dem Schlagwort „Amerikanisierung“ gefasst und in Feuilletons und „Amerikabüchern“ verhandelt. Dabei werden von KritikerInnen besonders die Produkte der Massenkultur (Film, Revuen etc.) zur Bedrohung für die „deutsche Kultur“ stilisiert. Positiv aufgenommen werden technische Errungenschaften, die Rationalisierung von Produktionsvorgängen, ebenso die amerikanische Produktkultur – bei einer Übernahme sollen sie
jedoch „eingedeutscht“, den Verhältnissen im Land angepasst werden.
Film ist bereits in den Zwanzigerjahren ein wesentliches Transportmittel für Vorstellungen von „Amerika“: In Deutschland sind US-Filme zu sehen, die die Wahrnehmung von Land und Gesellschaft wesentlich formen; Hollywood wird zunehmend zum Referenzpunkt bezüglich Struktur und Organisation der Filmindustrie, der fortschrittlichen Filmtechnik, des story tellings sowie des Starsystems. Nach 1933 ist eine Kontinuität vieler Amerikavorstellungen zu erkennen, wobei nun die Formel der „Bedrohung“ durch „Amerika“ aufgeweicht wird und einer Darstellung der Aneignung und Überwindung „Amerikas“ im „besseren“ NS-System weicht. Die Konkurrenz mit Hollywood bleibt aufrecht. Propagandaminister Goebbels will keine zu offensichtliche Propaganda im Film sehen; das deutsche Kino soll den populären Geschmack treffen und den deutschen Markt erweitern, wodurch
(US-)Importe überflüssig werden sollen.
Trenker rekurriert im Film Der verlorene Sohn auf zeitgenössische Amerikabilder: Ideen einer Überlegenheit des NS-Modells, das soziale Missstände beseitigt, über die amerikanische Demokratie und das Wirtschaftsmodell Roosevelts prägen zunehmend die Wahrnehmung. Die Figur „Amerika“ steht nicht allein für den „American Dream“, den Traum vom sozialen Aufstieg und Erfolg, oder als Modell für technischen Fortschritt, Rationalisierung und Kommerzialisierung; „Amerika“ wird nun verbunden mit sozialer Ungerechtigkeit als Folge des amerikanischen Klassensystems und des US-Kapitalismus. Das Erscheinungsjahr 1934 ist geprägt von einer
weltweiten Wirtschaftskrise – Arbeitslosigkeit, Not und Elend sind die Folgen; doch zeigt Luis Trenker diese Missstände nicht am Beispiel einer deutschen Stadt auf, sondern verlegt sie nach New York – Sinnbild für den amerikanischen Kapitalismus. In realistisch anmutenden, ästhetisch innovativen Szenen – teilweise mit versteckter Kamera gefilmt – präsentiert er den „Moloch Großstadt“, ein typisches Thema der Zwanzigerjahre. Manhattan steht in Der verlorene Sohn für eine entfremdete Form der Moderne, die in Kontrast gesetzt wird zur Schönheit der Südtiroler Bergwelt.
Neben die narrative Darstellung des Unglücks hinter glänzenden Fassaden tritt bei Trenker jedoch weiterhin eine visuelle Faszination für New York als prototypische Großstadt mit moderner Architektur und tosendem Verkehr.
Diese Ambivalenz in der Wahrnehmung Amerikas, das Schwanken zwischen Bewunderung, Ablehnung und Befremden, charakterisiert Der verlorene Sohn und weist den Film als Bestandteil einer umfassenden deutschen „Amerika“-Rezeption zur Entstehungszeit aus.
Die vorliegende Arbeit untersucht den Topos „Amerika“ in Luis Trenkers Film Der verlorene Sohn (D 1934).672 Trenker tritt als Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller auf. Der Film ist ästhetisch und inhaltlich positioniert in der späten Weimarer Republik, dem Aufstieg des Nationalsozialismus. Nach Siegfried Kracauer weisen viele Filme dieser Ära bereits auf eine Eingliederung in die autoritären Strukturen des NS-Systems hin und tragen Elemente der faschistischen Ideologie. Auch Der verlorene Sohn propagiert eine reaktionäre Ideologie, die mit fortschrittlicher Kameratechnik und innovativer Bildgestaltung transportiert wird – ein Charakteristikum des Bergfilmgenres, in dem Luis Trenkers Schaffen seinen
Anfang nimmt und das Ende der Zwanzigerjahre seinen Höhepunkt erreicht.
Der Film transportiert Bilder und Wahrnehmungen jenes Landes, das bereits in den Zwanzigerjahren zum Referenzpunkt wichtiger kultureller und wirtschaftlicher Debatten wird. Die Analyse der auf mehreren Ebenen – narrativ, visuell, auditiv – entworfenen Bilder von „Amerika“ wird in zeitgenössische deutsche Diskurse über dieses Land eingebunden. Dabei geht es weniger um das „reale“ „Amerika“, sondern darum, womit es in der deutschen Diskussion verbunden und besetzt wird – also um deutsche Projektionen und Imaginationen, die in Feuilleton, Film und Literatur ihren
Niederschlag finden sowie in politische Auseinandersetzungen einfließen.
„Amerika“ funktioniert in den Diskursen der Zwanziger- und Dreißigerjahre als Chiffre für Moderne, Modernisierung, Rationalisierung und Massenkultur. Einfluss und Übernahme solcher Entwicklungen in Deutschland werden unter dem Schlagwort „Amerikanisierung“ gefasst und in Feuilletons und „Amerikabüchern“ verhandelt. Dabei werden von KritikerInnen besonders die Produkte der Massenkultur (Film, Revuen etc.) zur Bedrohung für die „deutsche Kultur“ stilisiert. Positiv aufgenommen werden technische Errungenschaften, die Rationalisierung von Produktionsvorgängen, ebenso die amerikanische Produktkultur – bei einer Übernahme sollen sie
jedoch „eingedeutscht“, den Verhältnissen im Land angepasst werden.
Film ist bereits in den Zwanzigerjahren ein wesentliches Transportmittel für Vorstellungen von „Amerika“: In Deutschland sind US-Filme zu sehen, die die Wahrnehmung von Land und Gesellschaft wesentlich formen; Hollywood wird zunehmend zum Referenzpunkt bezüglich Struktur und Organisation der Filmindustrie, der fortschrittlichen Filmtechnik, des story tellings sowie des Starsystems. Nach 1933 ist eine Kontinuität vieler Amerikavorstellungen zu erkennen, wobei nun die Formel der „Bedrohung“ durch „Amerika“ aufgeweicht wird und einer Darstellung der Aneignung und Überwindung „Amerikas“ im „besseren“ NS-System weicht. Die Konkurrenz mit Hollywood bleibt aufrecht. Propagandaminister Goebbels will keine zu offensichtliche Propaganda im Film sehen; das deutsche Kino soll den populären Geschmack treffen und den deutschen Markt erweitern, wodurch
(US-)Importe überflüssig werden sollen.
Trenker rekurriert im Film Der verlorene Sohn auf zeitgenössische Amerikabilder: Ideen einer Überlegenheit des NS-Modells, das soziale Missstände beseitigt, über die amerikanische Demokratie und das Wirtschaftsmodell Roosevelts prägen zunehmend die Wahrnehmung. Die Figur „Amerika“ steht nicht allein für den „American Dream“, den Traum vom sozialen Aufstieg und Erfolg, oder als Modell für technischen Fortschritt, Rationalisierung und Kommerzialisierung; „Amerika“ wird nun verbunden mit sozialer Ungerechtigkeit als Folge des amerikanischen Klassensystems und des US-Kapitalismus. Das Erscheinungsjahr 1934 ist geprägt von einer
weltweiten Wirtschaftskrise – Arbeitslosigkeit, Not und Elend sind die Folgen; doch zeigt Luis Trenker diese Missstände nicht am Beispiel einer deutschen Stadt auf, sondern verlegt sie nach New York – Sinnbild für den amerikanischen Kapitalismus. In realistisch anmutenden, ästhetisch innovativen Szenen – teilweise mit versteckter Kamera gefilmt – präsentiert er den „Moloch Großstadt“, ein typisches Thema der Zwanzigerjahre. Manhattan steht in Der verlorene Sohn für eine entfremdete Form der Moderne, die in Kontrast gesetzt wird zur Schönheit der Südtiroler Bergwelt.
Neben die narrative Darstellung des Unglücks hinter glänzenden Fassaden tritt bei Trenker jedoch weiterhin eine visuelle Faszination für New York als prototypische Großstadt mit moderner Architektur und tosendem Verkehr.
Diese Ambivalenz in der Wahrnehmung Amerikas, das Schwanken zwischen Bewunderung, Ablehnung und Befremden, charakterisiert Der verlorene Sohn und weist den Film als Bestandteil einer umfassenden deutschen „Amerika“-Rezeption zur Entstehungszeit aus.