Abstract (deu)
Die vorliegende Forschungsarbeit befasst sich mit der Katholischen Kirche und ihrer Tätigkeit im Bildungswesen in Puerto Rico von 1948 bis 1960. In diesem Zeitraum, der mit dem Anlaufen der Operation Bootstrap in Puerto Rico beginnt, veränderten mehrere Ereignisketten die Puertoricanische Geschichte und Gesellschaft und beeinflussten folglich auch das Erziehungswesen, da der gesellschaftliche, kulturelle, wirtschaftliche und politische Wandel in einem Land stets auch Folgen dafür hat. Um das Thema des Erziehungswesens in den breiteren Kontext der Puertoricanischen Geschichte einzubetten, beschreibt die Arbeit zunächst im Überblick die sozialpolitische und ökonomische Lage Puerto Ricos, nachdem es 1898 unter amerikanische Kontrolle geraten war. Dies geschieht auch, um zu zeigen, warum die Insel ein Spielball in den außenpolitischen Bestrebungen der USA war und als dessen soziales, politisches, kulturelles und ökonomisches Experimentierfeld diente. Tatsächlich sind es diese besonderen Umstände, die Puerto Rico zu einer einzigartigen Fallstudie machen. Weiter wird ein historischer Überblick über das Bildungswesen der Insel und seiner Mängel während der spanischen Kolonialherrschaft gegeben, um die Rolle der Katholischen Kirche als Bildungsinstitution vor 1898 zu beleuchten. Vor diesem Hintergrund macht die Analyse die Veränderungen deutlich, denen sich die katholischen Schulen in den Jahren 1948 bis 1960 gegenüber sahen, als der Staat versuchte, die Erziehung zu übernehmen. Die Analyse beantwortet die Frage, wie das katholische Schulwesen auf die Herausforderungen reagierte, als immer mehr Wert auf ein nach dem amerikanischen Modell organisiertes öffentliches Schulwesen gelegt wurde. Das folgende Kapitel definiert die Ziele der katholischen Erziehung und deren Leitvorstellungen im weiteren Kontext der Neudefinition der Erziehungsziele durch die Kirche selbst im Rahmen des Zweiten Vatikanischen Konzils 1965. Gleichzeitig versucht die Arbeit den großen Veränderungen der Kirche nachzugehen, als sich diese in einer Neubestimmung ihrer Rolle dem sozialen Wandel zugunsten der Gerechtigkeit für die Armen und der Brüderlichkeit unter den Menschen zuwandte; als Höhepunkt dieser Veränderung kann die Befreiungstheologie gelten. Damit wird die Verbindung zur Beteiligung der Kirche an Entwicklungshilfeprogrammen in den 1960er Jahren hergestellt. Dies wiederum bringt die Arbeit zurück zur Fallstudie Puerto Rico, das als Pilotprojekt der USA für solche Entwicklungshilfeprogramme diente, in denen die Katholische Kirche als aktiver Partner des Staates auftrat. Das US-Programm Allianz für den Fortschritt wird anhand einer solchen Bestrebung analysiert und kritisch beleuchtet. Die Masterarbeit unterzieht schließlich das Schulsystem in Puerto Rico und Lateinamerika allgemein einer Kritik durch die Werke Ivan Illichs und seines jüngeren Freundes Gustavo Esteva, um jenem weit verbreiteten Konzept von Entwicklung entgegenzutreten, das Erziehung als ausschlaggebenden Bestandteil des menschlichen Fortschritts sieht.