Abstract (deu)
Ausgehend von der bekannten Polemik Foucaults in Die Ordnung der Dinge,
der zufolge sich die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie „wie ein Fisch
im Wasser des neunzehnten Jahrhunderts“ bewege, und also weniger Kritik
sei, denn dem Bedürfnis nach lückenloser Repräsentation in einem über den
Arbeitsbegriff konstituierten Feld nachkomme, möchte ich in meiner Arbeit
dem Begriff vom gesellschaftlichen Verhältnis bei Marx nachgehen bzw. in
einem Spannungsverhältnis zu jener, mit Foucault gesprochen, ‚Quasi-
Transzendentalie’ der Arbeit zu lesen. – Richtet sich doch ein wesentlicher
Aspekt der Kritik Marx’ an den politischen Ökonomien Smiths und Ricardos
gegen deren Enthistorisierung des Arbeitsbegriffs bzw. den daraus
resultierenden Dualismus zwischen einer natürlichen Sphäre der Produktion
und der geschichtlich variablen der Distribution. Da es jedoch nicht nur
möglich, sondern in der Geschichte der Marx-Rezeption zumeist geschehen
ist, die Totalität der (kapitalistischen) Gesellschaft vom Arbeitsbegriff her zu
denken bzw. solcher Totalität, sei sie auch – klassenkämpferisch gewendet –
bloß zukünftige Totalität, das gesellschaftliche Verhältnis unterzuordnen, will
ich diesen Begriff mit bestimmten Figuren und Konstellationen aus der
Sozialphilosophie Emmanuel Lévinas’ zu lesen versuchen und ihn um deren
erkenntnis- und wissenstheoretische Implikationen erweitern. Wenn es
schließlich nach Foucault zutrifft, dass der Arbeitsbegriff als
‚quasitranszendentale’ Funktion im Diskurs des neunzehnten Jahrhunderts,
einen homogenen Geschichtsraum konstituiert, der nun beliebig, d.h. je nach
Interesse, pessimistisch, evolutionär oder revolutionär deutbar ist, so könnte
sich ein anders gewichteter und erweiterter Begriff vom gesellschaftlichen
Verhältnis auf die Stellung der Totalitäten und ihre Erscheinungsweisen in
der Marxschen Theorie auswirken – und schließlich bezüglich der
Konzeption einer Kritik der politischen Ökonomie nicht nur die Verortung
innerhalb einer universalen Historie problematisieren, sondern deren
Verhältnis auch umkehren, also die Universalgeschichte innerhalb einer
bestimmten Produktionsweise und dem Begriff von ihr zu bestimmen.
Die Erweiterungen des Verhältnisbegriffes, die eine Lektüre Lévinas’ mit sich
bringen könnte, ordne ich um drei zentrale Begriffe bzw. Komplexe von
Totalität innerhalb der Kritik der politischen Ökonomie an: die
gesellschaftliche Totalität, wie sie formal, oder in Marx’ Worten, als
„verständige Abstraktion“ einerseits, als metaphorischer Sozialorganismus
andererseits zur Darstellung kommt; zweitens der Begriff einer Gesellschaft
als Waren produzierender und tauschender - oder Totalität der Gesellschaft
in ihrer Erscheinung; schließlich der Komplex der Mehrwertproduktion.
Diesen Begriffssphären stelle ich drei zentrale Figuren aus der Philosophie
Lévinas’ gegenüber: die Differenz zwischen Begehren und Bedürfnis, die
zeitliche Differenz in der Asymmetrie des Verhältnisses zum Anderen, der
Gerechtigkeitsbegriff als nicht lösbare und dennoch Gesellschaftlichkeit
vorwegnehmende Konstellation.