Abstract (deu)
In dieser Diplomarbeit frage ich nach der Bedeutung des Begriffs »politischer Islam« und stelle fest, dass es sehr verschiedene Lesarten des Begriffs gibt, die deutlich von einander abweichen. Daher versuche ich mich selbst an einer Definition. Zunächst einmal behandele ich das Politische und das Wesen des Politischen, wobei ich von einem weiten Politikbegriff und einem antiken Politikverständnis ausgehe. Dadurch ist es möglich, auch politische Konzepte der islamischen Kultur und politische Begriffe der arabischen Sprache in die Untersuchung einzubeziehen. Sodann erzähle ich die Geschichte der Entstehung des Islams und interpretiere sie als eine Geschichte sozialer Revolution, die zu einem radikalen Umbruch führte und die islamische Gesellschaft entstehen ließ. Schon die erste Ansiedelung zu Lebzeiten des Propheten, Medina, ist ein Musterbeispiel islamisch-politischer Konzepte und war zu damaliger Zeit eine völlig neu organisierte soziale Einheit. Nach dem Tod des Propheten bemühten sich islamische Gelehrte, eine möglichst fromme und den Ansprüchen des Islams gerecht werdende Folgeherrschaft zu etablieren. Diese Folgeherrschaft wurde schon bald der realpolitischen Situation nicht mehr gerecht; im mittlerweile zum Weltreich expandierten islamischen Reich behaupteten sich statt dessen weltliche Herrschaftsideen. Dieser Konflikt führte zur Entstehung der Kalifatstheorie, mit welcher viele Denker versuchten, den religiösen Führungsanspruch auch gegen widrige weltliche Entwicklungen zu behaupten. Wie unterschiedlich die einzelnen Konzepte der Kalifatstheorie auch waren, letztlich konnten sie das Kalifat nicht vor seiner Abschaffung retten. Dass das Kalifat abgeschafft wurde, änderte nichts an seiner Popularität. Im seit der Moderne entstandenen Islamismus und Fundamentalismus wurden ganz bewusst wieder religiöse Prinzipien auf Fragen politischer Herrschaft angewandt und die Parole »Der Islam ist die Lösung« ausgegeben. Solch islamische Politikkonzepte schließen in vielen Fällen auch die Wiedererrichtung des Kalifats mit ein. Der Islamismus hat sich seither weltweit und durch viele Klassen muslimischer Bevölkerungen ausgebreitet und zahlreiche Folgeströmungen politisch-islamischen Denkens begünstigt. Mittlerweile betonen viele Islamisten die demokratischen Werte politischer Prinzipien des Islams und bemühen ein demokratisches Vokabular. Tatsächlich haben sich viele Bewegungen entwickelt, die auf einem friedlichen und demokratischen Wege die Verbesserung der sozioökonomischen Situation muslimischer Bevölkerungen anstreben, nicht jedoch dem Säkularismus frönen, was mit dem Konzept der islamischen Demokratie umschrieben wird. Ohne damit den Islam im Allgemeinen oder andere Sichtweisen auf den Islam definiert zu haben, schließt die Arbeit mit der Folgerung, dass der Islam politisch ist, da er zahlreiche Ideen zur Organisation von menschlichen Gemeinschaften bereithält und in seinen ursprünglichen politischen Anliegen den Konzepten idealer Politik entspricht.