Abstract (deu)
Nach Lektüre und eingehender Analyse der Vita des Cogitosus und der Vita prima sollen nun die wichtigsten Erkenntnisse resümierend dargestellt werden.
Was die Vita des Cogitosus betrifft, so scheint aufgrund der Referenz des Muirchú auf Person und Werk des Cogitosus eine Datierung dieser Vita in das dritte Viertel des 7. Jahrhunderts plausibel. Der Autor Cogitosus dürfte ein gebildetes, schriftstellerisch begabtes Mitglied der monastischen Gemeinschaft von Kildare gewesen sein, der bei Erstellung einer Vita über die heilige Brigid wesentlich das politische Ziel der Installation einer Hauptheiligen zum Zwecke der Stärkung seines monastischen Zentrums und dessen parochia verfolgt haben dürfte. Die Vita des Cogitosus ist eine Reklame zugunsten der Kirche von Kildare und besteht aus bewusst ausgewählten, episodenartigen Wunderberichten: Die bildliche Darstellung der Schönheit und Größe der Kirche, die detaillierte Beschreibung der Grabstätte Brigids und ihres Bischofs Conleth sowie die Berichte über die Wunder, die sich nach Brigids Tod in Kildare zugetragen hätten, sollten Gläubige aus ganz Irland zu einer Pilgerreise nach Kildare motivieren.
Als Anlass für die Abfassung dieser Vita könnte durchaus der im 7. Jahrhundert offen geführte Konkurrenzkampf zwischen den Großkirchen Irlands um Macht und Einfluss sowie um Ausdehnung ihrer jeweiligen parochia gedient haben. Eine direkte Verbindung des Cogitosus zur mächtigen Dynastie der Uí Dúnlainge kann weder bewiesen noch widerlegt werden, doch eine Ausweitung des Machtbereichs von Kildare entsprach sicherlich auch dem Interesse der politischen Führung Leinsters.
Die von McCone erstellte Theorie der im Vergleich zur Vita des Cogitosus zeitlich späteren Abfassung der Vita prima wird sowohl durch kompositorische als auch durch inhaltliche Aspekte gestützt. Der Text vermittelt das Bild einer Kompilation verschiedenen Materials; besonders für die sequenzhaften Passagen gegen Ende der Vita prima wurde augenscheinlich die Vita des Cogitosus als Quelle herangezogen, um eine möglichst vollständige Darstellung der über Brigid bekannten Wunder zu bieten.
Trotz der Bemühungen des Verfassers, eine nachvollziehbare Reiseroute zu komponieren, sind die Brüche und Quellenwechsel unübersehbar.
In Anbetracht der gänzlichen Vernachlässigung Kildares sowie einer im Vergleich zur Vita des Cogitosus erfolgten Akzentverschiebung in dem Bild, das von Brigid und ihrem Wirken gezeichnet wird, nämlich von der strahlenden Äbtissin und Kirchengründerin hin zu einer Wanderheiligen an der Seite Patricks, ist davon auszugehen, dass diese Vita nicht aus einer speziellen kirchenpolitischen Motivation zugunsten eines monastischen Zentrums heraus entstanden ist, sondern mit dem Ziel der Installation einer Nationalheiligen im Rahmen einer umfassenden Zusammenstellung der existierenden Wunderberichte zur Veranschaulichung ihres überregionalen Wirkens verfasst wurde.
Die geänderte Darstellungsweise Brigids und ihres Wirkens könnte möglicherweise darauf zurückzuführen sein, dass um die Mitte des 8. Jahrhunderts, also zu der Zeit, als die Vita prima McCone zufolge entstanden sein dürfte, die Bedeutung Brigids und Kildares bereits von dem Bild überlagert wurde, das in den zugunsten Patricks und Armaghs verfassten Schriften des Muirchú und des Tírechán gezeichnet wurde, nämlich einer ab dem 6. Jahrhundert bestehenden klerikalen Vormachtstellung Patricks und der Kirche von Armagh, wodurch Brigid und ihrer Stammkirche lediglich eine Patrick respektive Armagh ebenbürtige Rolle zukommen konnte.
Trotz der häufig anzutreffenden Geringschätzung des hagiografischen Genres und der hibernolateinischen Zeugnisse betreffend ihre historische Aussagekraft lassen diese Viten bei genauer Betrachtung wertvolle Rückschlüsse auf kirchen- und realpolitische Strukturen zur Zeit ihrer Entstehung zu; allenfalls handelt es sich um ein spannendes Forschungsgebiet, dass sicherlich noch nicht hinreichend erschöpft ist.