Abstract (deu)
Die unterschiedlichen finanziellen Ausgangspositionen der Diözesen und Orden
haben dazu geführt, dass die Stifte und Klöster, die jahrhundertelang in erster
Linie von der Land- und Forstwirtschaft gelebt haben, in den letzten Jahrzehnten
ihre ökonomischen Aktivitäten ausgeweitet haben und heutzutage über neue
Betriebszweige und innovative touristische Angebote verfügen. Insbesondere jene
Stifte oder Wallfahrtskirchen, die hohe jährliche Besucherzahlen aufweisen, sind
aber auch für die umliegenden Gemeinden von großer wirtschaftlicher Bedeutung,
da zahlreiche Wirtschaftstreibende und insbesondere die Gastronomiebetriebe
von den Touristen profitieren.
Im Gegensatz dazu stehen die österreichischen Diözesen, die mit den jährlichen
Kirchenbeiträgen über fixe Einnahmen verfügen und diese durch die Erlöse aus
den diözesanen Museen, den Bildungshäusern, der Forstwirtschaft und dem
Verkauf von Kirchenzeitschriften ergänzen und die vor allem im sozialen Bereich
aktiv sind.
Als Arbeitgeber spielt die katholische Kirche vor allem im Bildungs- und im
Gesundheitsbereich eine wichtige Rolle. Allein in diesen beiden Bereichen werden
rund 20.000 Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt. Hinzu kommen noch die
tausenden Beschäftigten in den Betrieben der Stifte und Klöster, die von
Forstbetrieben über die touristischen Einrichtungen bis hin zu
Biomasseheizanlagen oder Skiliften reichen.
Auch die Caritas hat, als wirtschaftlich und rechtlich eigenständige größte soziale
kirchliche Organisation, österreichweit rund 11.000 Angestellte.
Da viele Stifte die größten Grundbesitzer in den umliegenden Gemeinden sind,
stellten ihre Grundverkäufe, wie sich im anschließenden Fallbeispiel des
Benediktinerstiftes Seitenstetten noch zeigen wird, oft auch einen wichtigen Faktor
für die räumliche und infrastrukturelle Entwicklung ganzer Gemeinden dar.
Nicht zu unterschätzen sind auch die Wirtschaftsimpulse durch die Investitionen
der katholischen Kirche in die Erhaltung der Bausubstanz, die vor allem den
regionalen Bauunternehmen zugute kommen. Die Fallstudie des Benediktinerstiftes Seitenstetten zeigt, dass es über
Jahrhunderte hinweg der wichtigste Arbeitgeber für die Menschen in der
Gemeinde und seiner näheren Umgebung war. Großflächige Schenkungen
ermöglichten land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten, welche seit seiner
Gründung lange Zeit die wirtschaftliche Grundlage des Klosters bildeten.
Insbesondere in der klösterlichen Landwirtschaft fanden viele Personen Arbeit
oder einen wichtigen Handelspartner. Die Mechanisierung in der Land- und
Forstwirtschaft führte ab 1955 zu einem massiven Rückgang der Beschäftigten in
diesen beiden Bereichen und schmälerte die Bedeutung des Stiftes als lokaler
Arbeitgeber. Die Landwirtschaft des Stiftes, jener Betriebszweig, der ursprünglich
die meisten Arbeitsplätze zur Verfügung stellte, wurde im Jahre 1985 endgültig
verpachtet.
Nicht zu vergessen sind heute die Arbeitsplätze der 37 weltlichen Professoren im
Stiftsgymnasium Seitenstetten. Auch wenn ihre Gehälter vom Staat bezahlt
werden, ist das Stift als Schulerhalter maßgeblich an der Sicherung dieser
Arbeitsplätze beteiligt. Der Rückgang der Beschäftigten im Stift Seitensteten
wurde schließlich durch die Ausrichtung der Landesausstellung 1988 und der
damit verbundenen Entwicklung des Kultur- und Klostertourismus in Seitenstetten
gestoppt. Im Zuge der touristischen Entwicklungen und der Revitalisierung des
historischen Hofgartens konnte in diesen Bereichen wieder Personal aufgestockt
werden. Die steigenden Besucherzahlen bei den Stiftsführungen wurden begleitet
von zahlreichen Investitionen in die Öffentlichkeitsarbeit, dem Bau eines
Klosterladens sowie der Einrichtung eines eigenen Tourismusbüros im Stift. Der
Beitritt zu diversen Tourismusplattformen steigerte die Präsenz in der
Öffentlichkeit und somit den Bekanntheitsgrad des Klosters. Als besonders wichtig
stellte sich dabei die Zusammenarbeit mit dem Tourismusverband und der
LEADER-Region „Moststraße“ heraus, welche die touristischen Projekte des
Stiftes, vor allem auch in finanzieller Hinsicht unterstützt. Das touristische Angebot
des Klosters wurde in den Jahren seit der Landesausstellung kontinuierlich
erweitert und reicht heute von Stiftsführungen über den „Urlaub im Kloster“ oder
den Gartentagen im Hofgarten bis hin zu verschiedensten Produkten im
Klosterladen.
Die Interviews mit den Mönchen haben gezeigt, dass sie der Öffnung nach außen
und den steigenden Tourismuszahlen durchaus positiv gegenüberstehen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Stiften werden in Seitenstetten die Besucher
von den Mönchen selbst durch das Gebäude geführt und erhalten so auch einen
sehr authentischen Einblick in das tägliche Leben der Benediktiner. Aufgrund der
noch relativ niedrigen Gästezahlen und beispielsweise auch der räumlichen
Trennung der Beherbergungsgäste von den Konventmitgliedern bei den
Mahlzeiten hält sich der Einfluss der Besucher auf das Ordensleben im Moment
noch in Grenzen.
Die wirtschaftlichen Standbeine des Stiftes bilden heute die Einnahmen aus der
Vermietung des „Seitenstettner Hofes“ in Wien und jene aus der Forstwirtschaft.
Zusätzlich können Gelder aus der Gebäudevermietung und der Verpachtung von
landwirtschaftlichen Gründen sowie der Jagd- und Fischereireviere lukriert
werden. Zudem fließt auch der Großteil der Löhne der fünf Patres, die am
Stiftsgymnasium unterrichten, zu den Einnahmen der Ordensgemeinschaft.
Weiters belegten die Interviews mit den Mönchen, dem Bürgermeister und den
anderen Wirtschaftstreibenden in der Gemeinde, dass das Stift positive Effekte auf
die Wirtschaft der Gemeinde ausübt.
Die Marktgemeinde Seitenstetten profitiert sehr stark vom Stift, da die
Öffentlichkeitsarbeit natürlich auch ihr und der ganzen Region zugute kommt, weil
es Kooperationen mit den Tourismusverbänden im Mostviertel gibt und das Stift
hier gleichsam die Rolle eines „Vorzeigeprojektes“ innehat. Insbesondere die
Seitenstettner Gastronomie lebt von den Touristen im Stift, da dieses selbst über
keine eigene Einrichtung verfügt und daher auf die Wirte im Ort verweist. In
wirtschaftlicher Hinsicht zählt aber sicherlich auch die Bauwirtschaft zu den
Profiteuren. Die Renovierungen im Stiftsgebäude und im nahe gelegenen
Meierhof lieferten Millionenaufträge. Einen nicht zu unterschätzenden
Wirtschaftsfaktor stellen auch die 380 Schüler des Stiftsgymnasiums Seitenstetten
dar, die sehr zahlreich die Papierhandlung, die Bäckerei sowie die Fleischerei der
Gemeinde besuchen. Indirekt hat das Stift durch den Verkauf von Gründen für den
Siedlungsbau bzw. für die Errichtung infrastruktureller und gemeinnütziger
Einrichtungen sicherlich auch einen großen Beitrag zum Bevölkerungswachstum
innerhalb der Gemeinde beigetragen.