Abstract (deu)
Auf Basis neu aufgetauchter Archivalien und der intensiven Grabungstätigkeit der letzten 20 Jahre wurde versucht, sich der Topographie des auf dem Boden des heutigen St. Pöltens liegenden municipium Aelium Cetium anzunähern. Grundlage für die Auswertung bilden aktualisierte und überarbeitete Fundstellenverzeichnisse vom Neolithikum bis zum Frühmittelalter im Gemeindegebiet von St. Pölten. Zusätzlich wurden die naturräumlichen Gegebenheiten wie Landschaftstopographie, Flussläufe und Bodengüte in die Beurteilung miteinbezogen.
Aelium Cetium zählt mit 216.000 m² zu den kleineren Verwaltungsstädten im römischen Reich. Ihr Stadtplan reiht sich nahtlos in planmäßig angelegte Stadtanlagen in den Nordwestprovinzen ein, für die ein Raster aus rechtwinklig sich kreuzenden Straßenzügen charakteristisch ist. Eine Befestigung wie sie für Ovilavis/Wels nachgewiesen ist, hat in Cetium nicht existiert, Stadtmauer eine bereits aus der römischen Zeit.
Bisher liegt definitiv kein Nachweis einer der Munizipalverleihung vorausgehenden Siedlung vor, sodass weiterhin von einer Adhoc-Gründung ausgegangen werden muss. Die Unregelmäßigkeiten im Planschema sind demnach vor allem topographisch bedingt. Die Ostgrenze wird durch eine zur Traisen hin abfallende leichte Geländestufe bestimmt. Die bisher durch Gräberfelder mit Sicherheit zu erschließenden Hauptausfallsstraßen liegen nicht in Verlängerung der Hauptvermessungsachsen wie bei neu angelegten Städten zu erwarten wäre. Ausschlaggebend dafür war die Geländestufe im Westen, die nur an bestimmten Stellen überwunden werden konnte. Die nordwestliche Ausfallsstraße von Cetium stellt die Verbindung zu der bereits im 1. Jahrhundert existierenden Reichsstraße, der sogenannten Tabula- oder Limesstraße her. Die südwestliche Ausfallsstraße ist hingegen Bestandteil einer nach der Gründung von Cetium im Bereich einer seit Urzeiten existierenden Verbindung angelegten weiteren Reichsstraße.
Das Verwaltungszentrum der römischen Stadt, das sogenannte Forum, befand sich wahrscheinlich im Bereich des Herrenplatzes. Südlich scheint sich eine weitere Platzanlage, möglicherweise ein Tempelareal, angeschlossen zu haben.
Nach einer Rezension im 3. Jahrhundert, einer möglichen Zerstörung durch ein Hochwasser in der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts erfolgte ein neuerlicher Aufschwung ab constantinischer Zeit, der sich in zahlreichen Neu- und Umbauten, die zu starken Veränderungen im ursprünglichen Planschema führten, bemerkbar macht. Das im zweiten Drittel des 5. Jahrhunderts im ehemaligen verbauten Stadtgebiet (Steinergasse 2) angelegte Frauengrab markiert nach wie vor das Ende der römischen Siedlung. Jüngere Funde konnten bisher nicht aufgedeckt werden, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die Stadt systematisch verlassen wurde und sich die noch vorhandene Restbevölkerung auf das Land zurückgezogen hat.
Mehrere römerzeitliche ländliche Strukturen scheinen sich im Umfeld von Pottenbrunn und Unterradlberg befunden zu haben. Zahlreiche Funde und einige Befunde legen nahe, dass im Gegensatz zur Stadt in den ländlichen Gebieten eine ungebrochene Besiedlung bis in das Mittelalter hinein anzunehmen ist.
Im bebauten Areal der Römerstadt setzte die Besiedlung erst wieder nach den Awarenkriegen Karls des Großen am Beginn des 9. Jahrhunderts ein. Archäologische Belege aus dieser Zeit liegen mit Ausnahme einiger wenigen Keramikfragmente, die vielleicht in das 9. Jahrhundert datiert werden können, allerdings noch nicht vor.