Abstract (deu)
Die Verdachtskündigung kommt in Betracht, wenn dringende und schwerwiegende Verdachtsmomente einer Pflichtverletzung gegen den Arbeitnehmer bestehen. Diese Verdachtsmomente müssen auf objektiven Tatsachen beruhen und das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstören.
Die Arbeit untersucht die Zulässigkeit der Verdachtskündigung in den Staaten Deutschland, Schweiz und Österreich und stellt zunächst aus jedem dieser drei Staaten einen jeweils national höchstrichterlich entschiedenen Ausgangsfall vor, die bei entscheidenden Fragestellungen immer wieder aufgegriffen werden. Die Arbeit unterteilt sich sodann in drei Länderberichte, in denen die Verdachtskündigung und die Voraussetzungen an den wichtigen Grund abstrakt und im Spiegel der Literatur und Judikatur dargestellt werden. Daran schließt sich ein Rechtsvergleich an, in dem die Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufgezeigt und hinterfragt werden. Im Rechtsvergleich werden zugleich verschiedene Thesen aufgestellt. Zum einen wird die Tendenz einer Positionierung des Schweizerischen Bundesgerichts untersucht und zum anderen der Versuch unternommen, die Verdachtskündigung in der Schweiz dogmatisch zu begründen. Die Arbeit setzt sich dezidiert mit den von vereinzelten Kritikern im deutschen Recht vorgetragenen dogmatischen und verfassungsrechtlichen Bedenken auseinander. Es zeigt sich, dass die Beweiswürdigung bei der Verdachtskündigung von besonderer Bedeutung ist, weil gerade der letzte Beweis der Tatbegehung nicht erbracht werden kann. Zur Rechtslage in Österreich, das als einziges der hier verglichenen Länder Verschulden am Entlassungsgrund fordert, wird untersucht, inwieweit ein Verschulden des Verdächtigten an der Verdachtssituation ausreichend ist. Soweit ein solches Verschulden am Verdacht nicht genügen würde, um einen wichtigen Grund zu begründen, würde die Verdachtskündigung in Österreich am Erfordernis eines verschuldensabhängigen Entlassungstatbestands scheitern. Davon ausgehend unternimmt die Arbeit dann den Versuch, einen Lösungsansatz für die Rechtslage in Österreich zu entwickeln, in dem ein neuer verschuldensunabhängiger Entlassungsgrund bei Angestellten entwickelt wird. Abschließend untersucht die Arbeit die Frage der Vereinbarkeit der Verdachtskündigung mit der Unschuldsvermutung der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Eine unmittelbare Geltung der Unschuldsvermutung auf arbeitsrechtliche Fragestellungen wird untersucht und verneint. Allerdings ist eine mittelbare Drittwirkung der Unschuldsvermutung zu bejahen. Ein Verstoß der Verdachtskündigung gegen die Unschuldsvermutung wird abgelehnt, weil die Verdachtskündigung keinen Schuldvorwurf impliziert und keinen strafenden Sanktionscharakter aufweist.
Im Ergebnis gelangt die Arbeit zu der Auffassung, dass die Verdachtskündigung – oder besser gesagt Verdachtsentlassung – in allen drei hier verglichenen Staaten dogmatisch begründbar wäre und ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung nicht erkannt werden kann.