Abstract (deu)
Die Arbeit „Vom Schönen zum Guten“ setzt sich mit möglichen Verbindungswegen, die vom Schönen zum Guten führen, auseinander. Dabei geht es in erster Linie um den Nachweis, dass die Beschäftigung mit dem Schönen bzw. dem ästhetischen Urteilen implizit eine bestimmte Bedeutung für die Moralität des Menschen hat.
Basistext dieser Arbeit ist die „Kritik der Urteilskraft“ von Immanuel Kant, in der ausdrück-lich auf Zusammenhänge zwischen dem Schönen und dem Guten hingewiesen wird. Im We-sentlichen geht es dabei um vier Momente, die unter Einbindung ausgewählter Sekundärlite-ratur diskutiert werden:
1.) Das Prinzip der Zweckmäßigkeit: Kant bestimmt jenen Gegenstand als schön, der seiner Form nach zweckmäßig für unser Erkenntnisvermögen ist. Durch die Existenz des Schönen in der Natur wird der Mensch darauf hingewiesen, dass er die Natur so auffassen kann, als wäre sie zweckmäßig eingerichtet. Das bedeutet in Folge, dass sie für die Realisierung menschli-cher Zwecke, insbesondere für jene der Sittlichkeit, offen steht, was aufgrund der Trennlinie zwischen theoretischer und praktischer Philosophie nicht selbstverständlich ist.
2.) Der „sensus communis“: Bezüglich des Beurteilungsvermögens hinsichtlich des Schönen spricht Kant von einem Gemeinsinn, insofern das für das Erleben des Schönen charakteristi-sche, freie Wechselspiel von Einbildungskraft und Verstand und das daraus resultierende Ge-fühl der Lust prinzipiell jedem Menschen zukommen kann. Zudem bedarf es für ein ästheti-sches Urteil einer „erweiterten Denkungsart“ (Kant), die das eigene Urteil durch Absehen von privaten Bedingungen auf das Denken der anderen Menschen bezieht, um ihm eine bestimmte Allgemeingültigkeit zu sichern. Beide Aspekte können als gemeinschaftsbildend gelten und haben insofern auch moralische Relevanz.
3.) Das Schöne als Symbol des sittlich Guten: Im Denken über das Schöne weist Kant analoge Strukturen zu jenem bezüglich des Guten auf, insofern für beide Autonomie, Allgemeingül-tigkeit, Uneigennützigkeit, Unmittelbarkeit sowie Freiheit bei gleichzeitiger Regelgebunden-heit von entscheidender Bedeutung sind. Weil in der Auseinandersetzung mit dem anschau-lich gegebenen Schönen Denkprozesse zum Tragen kommen, die in vergleichbarer Weise hinsichtlich der nicht zu veranschaulichenden Vernunftidee der Sittlichkeit eine grundlegende Rolle spielen, vermag das Schöne nicht nur das Gute zu symbolisieren, sondern auch auf die-ses einzustimmen.
4.) Das Erhabene: Angesichts sinnlich wahrgenommener, überdimensionierter oder übermächtig erscheinender Phänomene empfindet der Mensch zunächst aufgrund des Scheiterns der Einbildungskraft bezüglich dieser Phänomene Unlust, die sich dadurch in Lust wendet, dass sich das Subjekt der eigenen Befähigung als vernunftbegabtes Wesen, das sich über alle Sinnlichkeit erheben kann, bewusst wird. Nach Kant weist uns die ästhetische Erfahrung des Erhabenen auf die Erhabenheit des eigenen Geistes hin, was primär sittliche Bedeutung hat, insofern die Kernkompetenz der Vernunft den Zusammenhang von Moralität und Freiheit betrifft.
Diese vier Momente der ästhetischen Urteilskraft belegen, dass das Erleben des Schönen für den Bezug zur Moralität Relevanz haben kann, womit aber weder inhaltliche Übereinstim-mungen noch ein wechselseitiges Bedingungsverhältnis ausgesagt sind. Ästhetischen Ge-schmack zu haben impliziert eine Konstellation der Vernunft und eine Geisteshaltung, die jener bezüglich des sittlich Guten verwandt ist. Dadurch ist ein Weg vom Schönen zum Guten möglich, was nicht zuletzt zu einem Überdenken der Positionierung des Schönen innerhalb einer Gesellschaft auffordert.