Abstract (deu)
Mit dem Alter treten viele physiologische Veränderungen auf, denen auch die chemischen Sinne unterliegen. Zweck der vorliegenden Arbeit war es, diese Veränderungen aufzuzeigen und Einflüsse von Krankheiten, Medikamenten, Zahnprothesen und einem trockenem Mund auf Geruchs- und Geschmackswahrnehmung zu evaluieren, sowie Auswirkungen der Veränderungen auf das Essverhalten festzustellen. Es wurden dafür 151 Personen (127 Frauen, 24 Männer) zwischen 55 und 95 Jahren untersucht. Die Personen wurden in vier Altersgruppen (55-64 Jahre, 65-74 Jahre, 75-84 Jahre, >84 Jahre) und nach unterschiedlichen Lebensformen (Altenheimbewohner, Privathaushalt und Teilnehmer an einem Trainingsprogramm für Selbstständigkeit im Alter, dem SELBA-Programm) eingeteilt. Als Kontrollgruppe dienten 49 Personen (Studenten und Mitarbeiter des Institutes für Ernährungswissenschaften der Universität Wien), davon 43 Frauen und 6 Männer im Alter von 22-40 Jahren. Es wurde ein Geruchstest mit dem Screening 12 Sniffin’ Sticks Test von der Firma Burghart und ein Geschmackstest für das erkennen der vier Grundgeschmacksarten nach DIN-Norm 10961 durchgeführt. Zusätzlich wurde ein Fragebogen ausgeteilt, in dem Fragen zum Gesundheitszustand der Person und zur eigenen Einschätzung von Geruchs- und Geschmackswahrnehmung ermittelt wurden.
Die Ergebnisse zeigten sowohl beim Geruch als auch beim Geschmack eine Verminderung der Wahrnehmung mit dem Alter. Sowohl beim Geruchs- als auch beim Geschmacksvermögen ergaben sich bei allen Altersgruppen des Untersuchungskollektivs höchst signifikante Unterschiede (p < 0,001) im Vergleich zur Kontrollgruppe. Beim Geruchstest konnten auch zwischen den einzelnen Gruppen des Untersuchungskollektivs höchst signifikante Unterschiede (p < 0,001) festgestellt werden: 75-84-Jährige und >84-Jährige vs. 55-64-Jährige und 65-74-Jährige. Die Selbsteinschätzung der Funktion des Geruchssinnes hing mit den Ergebnissen der durchgeführten Tests (p < 0,001; Cramer’s V = 0,547) zusammen. Beim erkennen der überschwelligen Konzentrationen der vier Grundgeschmacksarten unterschieden sich die >84-Jährigen von den drei anderen Altersgruppen signifikant (p < 0,001). Bei der Identifizierung der Schwellenkonzentrationen der vier Grundgeschmacksarten ergab sich ein signifikanter Unterschied zwischen den 75-84-Jährigen und den 55-64-Jährigen sowie den 65-74-Jährigen (p < 0,05). Geruchs- und Geschmackssinn waren gleichermaßen von den Veränderungen im Alter betroffen. Es ergab sich eine Korrelation (p < 0,001; r = 0,275) zwischen Geruchs- und Geschmackswahrnehmung. Die vorhandenen Krankheiten standen nicht im Zusammenhang mit der Verminderung der Funktion der chemischen Sinne. Im Gegensatz dazu konnte eine Korrelation der Einnahme von Medikamenten sowie dem Tragen einer Zahnprothese mit den richtig erkannten Gerüchen (p < 0,001; rMedikamente = -0,261; Cramer’s VZahnprothese = 0,392) und mit den richtig erkannten überschwelligen Konzentrationen der vier Grundgeschmacksarten (p < 0,05; rMedikamente = -0,186; Cramers’ VZahnprothese = 0,269) beobachtet werden. Bei Probanden mit trockenem Mund konnte eine schlechtere Wahrnehmungsfähigkeit der überschwelligen Konzentrationen der vier Grundgeschmacksarten, als bei denjenigen ohne diese Beschwerde, festgestellt werden (p < 0,01; Cramer’s V = 0,296). Bezüglich des Essverhaltens konnte beobachtet werden, das Personen mit einer schlechteren Geruchs- und Geschmackswahrnehmung, mehr Zucker und Süßstoff für Tee und Kaffee verwendet haben (p < 0,001; rGeruch = -0,256, rGeschmack = -0,299). Keine Korrelation bestand zwischen der Funktion der chemischen Sinnen und dem Salzen von Lebensmittel, der Bevorzugung von bitteren und sauren Lebensmitteln und dem Körpergewicht. Eine Möglichkeit Geruchs- und Geschmacksvermögen im höheren Alter zu erhalten, könnte das SELBA-Trainingsprogramm darstellen. Es konnte eine signifikant bessere (p < 0,05) Geruchswahrnehmung der SELBA-Programm-Teilnehmer gegenüber den Altenheimbewohnern in der Altersgruppe der 75-84-Jährigen festgestellt werden. Beim Erkennen der überschwelligen Konzentrationen der vier Grundgeschmacksarten unterschieden sich die 55-64-Jährigen Teilnehmer des SELBA-Programms von den Gleichaltrigen, im Privathaushalt Lebenden, ebenso wie die 75-84-Jährigen Programmteilnehmer von den im Privathaushalt und im Altenheim Lebenden Probanden im selben Alter signifikant (p < 0,05).