Abstract (deu)
Brutkolonien sind ein weit verbreitetes Phänomen im gesamten Tierreich. Als Brutkolonie bezeichnet man eine dichte Ansammlung von mehreren Brutplätzen, unabhängig vom Futterangebot. Insbesondere bei Vögeln führten Wissenschaftler zahlreiche Studien über koloniebildende Mechanismen durch, obwohl Aggregationen von Brutplätzen auch in vielen anderen Taxa zu beobachten ist, wie zum Beispiel bei Fischen. Ziel meiner Studie ist, zwei Hypothesen zu überprüfen, die Koloniebildung erklären. Die erste Hypothese besagt, dass Tiere Brutkolonien bilden, um den Raubdruck zu verringern. Die Wahrscheinlichkeit dem Angriff eines Räubers zu entgehen ist in einer Gruppe mit Artgenossen größer. Zusätzlich wird die Wachsamkeit gegenüber einem Angriff eines Räubers erhöht. Die zweite zu testende Hypothese ist, ob das Bilden von Brutkolonien nur ein Nebenprodukt von sexueller Selektion darstellt. Die „Hidden Lek“ Hypothese besagt, dass in einer monogamen Art die Weibchen ihre unattraktiven Männchen dazu bringen, sich in der Nähe von qualitativ hochwertigeren Männchen („Hotshots“) niederzulassen. Man nimmt an, dass Weibchen die Option haben wollen, ihre Partner für einen „Hotshot“ zu verlassen, sobald sich die Möglichkeit dazu bietet. Durch dieses individuelle Interesse könnten Kolonien entstehen.
Als Modelorganismus meiner Studie diente der monogame Buntbarsch Neolamprologus caudopunctatus. Bei diesem Buntbarsch beteiligen sich beide Elternteile an der Aufzucht des Nachwuchses. N. caudopunctatus bildet in seinem natürlichen Lebensraum, dem Tanganjika See, große Brutkolonien. Jedoch sind die Mechanismen, die zu diesen Kolonieformationen führen, nicht erklärt. Das Experiment dieser Studie führte ich in einem ringförmigen Aquarium durch, das nahezu natürliche Bedingung bezüglich der Größe bot. Die potentiellen Bruthöhlen waren gleichmäßig im Becken verteilt. Das Nahrungsangebot war im ganzen Becken gleichmäßig hoch. Zusätzlich beschäftigt sich die Studie mit den Einflüssen auf das Paarungssystem dieser Art, da während der Versuche fakultative Polygamie vorgekommen ist. Diese Beobachtung steht im Gegensatz zu den Erkenntnissen aus der freien Natur, wo die Tiere sich ausschließlich monogam verpaaren. Generell erwartet man Monogamie, wenn Weibchen weit verteilt sind und Männchen nur ein Weibchen gegen andere männliche Konkurrenten verteidigen können. Auf der anderen Seite wird Polygamie bevorzugt, wenn ein hohes Angebot an Weibchen vorhanden ist und es Männchen möglich ist, mehrere Partnerinnen gegenüber anderen Konkurrenten zu verteidigen. Die Vorteile von Polygamie sind für Männchen offensichtlich, da sie ihren reproduktiven Erfolg steigern, wenn sie sich mit mehreren Weibchen verpaaren. Für ein Weibchen kann es jedoch auch von Vorteil sein, sich auf ein bereits verpaartes Männchen einzulassen, wenn sie dadurch Zugang zu einem qualitativ hochwertigen Partner mit einem qualitativ hochwertigen Territorium erlangen. Trotz alledem sind Weibchen mit einem Konflikt zwischen der Qualität des Männchens und seiner Investition in die Brutpflege konfrontiert.
Obwohl die Resultate keine Antwort auf die Frage nach den Ursachen von fakultativer Polygamie liefern, zeigt sich ein deutlicher Einfluss von Raubdruck auf das Verhalten dieser Cichliden. Der Modelorganismus brütet unter dem Einfluss von Raubdruck näher bei anderen Artgenossen. Zusätzlich verstärkt die Anwesenheit von Räubern das Brutpflegeverhalten. Die „Hidden Lek“ Hypothese hingegen scheint für diese Fischart keine Gültigkeit zu haben, da sich kleine Männchen früher verpaaren, wenn sie sich entfernt von größeren Männchen niederlassen. Außerdem verlassen Weibchen ihre Partner nicht wenn sich die Möglichkeit bietet zu einem größeren Männchen zu wechseln. Die „Hidden Lek“ Hypothese erwartet in beiden Fällen das Gegenteil.
Die vorliegende Studie ist eine der Wenigen, die experimentell zeigt, dass Raubdruck einen direkten Einfluss auf Koloniebildung hat.