Abstract (deu)
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Konstruktion von Parteiwirklichkeiten in den Zentralorganen der SPÖ, ÖVP und KPÖ während der Ereignisse Ungarn-Aufstand 1956 und Prager Frühling 1968. Es sollte herausgefunden werden, wie die Parteien ihre Wirklichkeiten anhand von sechs Variablen aufbauen. Als Methode wurde die Diskursana-lyse nach Siegfried Jäger gewählt. Es wurden Aussagen aus der „Arbeiter-Zeitung“, „Das kleine Volksblatt“ und „Österreichische Volksstimme“ gesucht, die sich mit Russland, Österreich, der Sicherheit für Österreich, dem politischen Gegner, der Neutralität und der Reaktion der West-Staaten beschäftigen. Anschließend wurden die Diskursfragmente in Diskursstränge und schließlich in einen übergeordneten Diskurs eingebracht.
Als Voraussetzung für die Interpretation wurde zunächst der kommunikationswissen-schaftliche Standort der Parteimedien bestimmt, anschließend der geschichtliche Rahmen erarbeitet, um die Ergebnisse interpretieren zu können. Als Grundlage der Interpretation diente der Konstruktivismus.
Zwischen den Analysezeitpunkten sind deutliche Unterschiede zu beobachten. Die „Arbei-ter-Zeitung“ versucht 1956 Russland als gewalttätigen, illegitimen Herrscher darzustellen. Dies wird durch emotionale Gewaltdarstellungen und dem Absprechen der demokratischen Legitimation der Volksdemokratien erreicht. Ähnlich geht auch „Das kleine Volksblatt“ vor. 1968 wird in beiden Zeitungen auf Gewaltdarstellungen verzichtet, es kommt aber die Strategie der Darstellung Russlands als dumm, inkompetent und unverlässlich hinzu: Russ-land wird vom tschechoslowakischen Volk ganz einfach an falsche Orte geschickt, und die Russen merken dies nicht. Die „Österreichische Volksstimme“ macht aber die größte Ver-änderung durch: Von der Darstellung Russlands 1956 als Helfer und Befreier der Ungarn vom Faschismus wandelt sich die Einstellung zu einer differenzierten und kritischen Be-trachtungsweise, die den Einmarsch 1968 als unnötig verurteilt – dabei stützt sich das KPÖ-Organ größtenteils auf Zitate anderer europäischer Schwesterparteien. Die „Österrei-chische Volksstimme“ sieht 1956 die Gefahr eher in Österreichs Presse als in den Kämpfen im Nachbarland, da die Presse aktiv die Revolution unterstützt und Lügen verbreitet, um die Kämpfe weiter anzuheizen.
Österreichs Rolle wird von der „Arbeiter-Zeitung“ und „Das kleine Volksblatt“ 1956 als Helfer und Verbündeter gesehen. Durch die ausführliche Beschreibung emotionaler Hilfs-aktionen wird Österreich kompromisslos als selbstloser Helfer dargestellt. Die „Österrei-chische Volksstimme“ sieht dies anders: Österreich wird als Unterstützer der Revolution in Ungarn gesehen – Hilfsaktionen werden ausgenutzt, um die unrechtmäßige, faschistische Erhebung mit Waffen zu unterstützen. 1968 werden Österreichs Bemühungen in allen drei Medien zwar positiv dargestellt, allerdings verliert der Österreichdiskurs an Wichtigkeit und Emotionalität.
1956 werden in der „Arbeiter-Zeitung“ und noch massiver in „Das kleine Volksblatt“ die Westmächte für ihr Nicht-Handeln verurteilt. Als Strategie wird der Vergleich mit der Su-ez-Krise benutzt, wo aus materiellem Interesse durch Großbritannien und Frankreich inter-veniert wurde, und so die Ungleichbehandlung Ungarns erörtert. 1968 gibt es in der „Ar-beiter-Zeitung“ einen ähnliche Taktik, hier wird als Vergleich der Krieg in Vietnam heran-gezogen. 1956 benutzt auch die „Österreichische Volksstimme“ die Suez-Krise als Mittel, die Westmächte als Aggressor darzustellen. 1968 wird in der „Volksstimme“ dann die Doppelmoral des Westens angeprangert: Die Krise in der ČSSR wird verurteilt, zum Viet-namkrieg aber geschwiegen.