Abstract (deu)
Olympe de Gouges verfasste in der Zeit von ca. 1783-1793 Theaterstücke, Romane und politische Schriften, die die politische Umsetzung der Aufklärung veranschaulichen. Ihre politischen Überlegungen sind von den sich überstürzenden Veränderungen der frühen Französischen Revolution geprägt, erweisen sich jedoch über den historischen Kontext hinausgehend von Bedeutung. Bis heute ist ihr Werk allerdings nicht in seiner Gesamtheit erfasst und kaum noch beforscht.
Der erste Teil der Dissertation untersucht auf der Basis der gesicherten Lebensdaten, der aufgefundenen Dokumente und erhaltenen Schriften eine Fülle von Publikationen um und über de Gouges. Er enthält eine sachlich-kritische Analyse der Überlieferungen, Biografien und Werkzusammenstellungen, vor allem aber eine Untersuchung der implizit und explizit darin enthaltenen Zuschreibungen und Einschätzungen ihres Werkes und Wirkens.
Im Hauptteil der Arbeit wird die philosophische Bedeutung des Denkens Olympe de Gouges’ auf Grundlage ihrer Schriften in deren jeweiligem Kontext untersucht. Kernpunkte, denen de Gouges sich in ihrem Schreiben widmete, sind die Begriffe der Rechtsstaatlichkeit, der Gesellschaftsordnung und der Verfassung, der Regierungsverantwortung und des Gemeinwohls sowie der Freiheit und der Gleichheit. De Gouges lehnte viele ihrer politischen Forderungen an den von Rousseau 1762 im Gesellschaftsvertrag formulierten Gedanken der Volkssouveränität an, ging aber stets über die Theorie hinaus zu den je aktuellen politischen Erfordernissen der Zeit und Umstände. Ihre Stellungnahmen sind von Pragmatismus, Kompromissbereitschaft und Menschlichkeit geprägt.
Der letzte Teil der Dissertation stellt den sich auf diese Weise zeigenden Humanismus de Gouges’ dar. Es wird ihr konkretes Engagement für die Schwächsten der Gesellschaft beleuchtet. Sie sprach sich gegen die Sklaverei aus, forderte die Gleichberechtigung der Frauen, thematisierte staatliche Sozialverantwortung und machte Vorschläge für eine humane und überaus moderne Reform des Strafrechts. Sie war erklärte Gegnerin der Todesstrafe und warnte unermüdlich vor Gewalttätigkeit und Blutvergießen wie auch vor der Gefahr des Despotismus. Mit ihren Schriften argumentierte sie für die Herstellung einer friedlichen, sozial ausgeglichenen und chancengleichen Gesellschaft.
Die Dissertation ordnet die Stellungnahmen und Gedanken de Gouges’ aus einer Fülle verschiedener Texte begrifflich bzw. thematisch und zieht als Quellen ausschließlich die erhaltenen Schriften ihrer Hinterlassenschaft heran, die im Zuge dieser Untersuchung in ihrem historischen Kontext mit besonderem Augenmerk auf den Einfluss der politischen Philosophie des 18. Jahrhunderts betrachtet werden. Die Arbeit enthält eine längst fällige Analyse der Art und Weise, auf die de Gouges als humanistische Denkerin der Spätaufklärung deren Ideale und Werte interpretierte, um sie für die Lehre einer neuen politischen Ordnung urbar zu machen.