Abstract (deu)
Im Zentrum von Gordon Matta-Clarks Werk steht die Auseinandersetzung mit urbanen und sozialen Räumen. Obwohl im New York der 1970er Jahre verortet, behandelt es damit Fragen des städtischen Zusammenlebens, die bis in heutige künstlerische Diskurse hineinwirken. Mit seinem Begriff des mutable space wendet sich Matta-Clark gegen ein funktionalistisches Raumverständnis moderner Architektur und formuliert das Konzept eines Raums, der in Sinn und Erleben veränderlich ist. Durch sein Werk ziehen sich, einander ergänzend, Architektur und Film als wesentliche künstlerische Ausdrucksmittel. Performances und Interventionen im öffentlichen Raum werden häufig von filmischen Aufnahmen begleitet. Beiden Medien ist gemeinsam, dass sie Räume konstruieren, die in der Bewegung (der Filmbilder bzw. des Betrachters) veränderlich sind. Dennoch ist die Bedeutung von Matta-Clarks Filmen für sein Raumkonzept bislang nicht untersucht worden. Ausgehend vom Begriff des mutable space stellt der vorliegende Text daher eine Auswahl von Matta-Clarks filmischen und architektonischen Arbeiten nebeneinander und untersucht, wie ihm beide Medien dazu dienen, Räume in ihrer Veränderlichkeit zu entwerfen. Drei Manöver lassen sich so herausarbeiten. Zum einen verschiebt Matta-Clark den Fokus vom architektonisch gerahmten Raum hin zu dessen Rändern und hebt Schwellen und Zwischenräume als bedeutungstragende Größen hervor. Zum zweiten arbeitet er die Historizität von Raum heraus, der sich als in der Zeit gewachsene Struktur einer abschließenden Bestimmung und Sinnzuschreibung entzieht. Schließlich weicht Matta-Clark die Dichotomie von innen und außen, von privat und öffentlich auf, indem er die Definition von Raum an die in ihm stattfindenden Tätigkeiten knüpft. Raum erscheint so als performative und als solche veränderliche Struktur. Im Verlauf der konkreten Analyse der Arbeiten Matta-Clarks entwickelt die vorliegende Untersuchung exemplarische Beschreibungsmuster für den Film als künstlerisches Medium zur Konstruktion von Raum. Übertragen ließe sich dieser Begriffsapparat auch auf Zeitgenossen Matta-Clarks oder auf nachfolgende Generationen, die ihrerseits die raumkonstituierende Wirkung des Films für die eigene künstlerische Tätigkeit nutzbar machen.