Abstract (deu)
Im Gegensatz zu vielen in Gruppen lebenden Säugern oder Vögeln sind die meisten Reptilien, und somit auch die Schildkröten, eine taxonomische Gruppe, die sich hauptsächlich durch solitäre Vertreter auszeichnet. Die Köhlerschildkröte (Geochelone carbonaria) ist ein solches Beispiel und lebt in tropischen bis trockenen Wäldern Südamerikas. Über das Verhalten dieser Spezies in der Natur ist nicht viel bekannt, es wird ihnen jedoch eine gewisse Intelligenz und Gedächtnisleistung zugesprochen. In meiner Masterarbeit ging ich der Frage nach, ob diese Schildkrötenart dazu fähig ist, durch Beobachtung eines Artgenossen ein Problem zu lösen. Das zu lösende Problem bestand aus einem V-förmigen Zaun, der umgangen werden musste, wollte das Tier zu dem mit Melonen bestückten Futternapf. Alle vier Schildkröten, die im ersten Experiment keine Demonstration erhielten, waren nicht dazu im Stande, diesen Umweg zu gehen. Sie blieben entweder an der falschen Zaunseite stehen oder marschierten in eine der beiden dem Zaun nahe gelegenen Ecken der Arena. Das Training der Demonstrator-Schildkröte dauerte 6 Wochen. Danach erhielten die restlichen vier Schildkröten zwölf Versuche, den Futternapf nach aufmerksam beobachteter Demonstration zu erreichen. Alle vier Beobachtertiere waren fähig etwas zu lernen und den richtigen Weg zum Futter zu finden. Zwei der vier Beobachter-Schildkröten konnten dies bereits nach dem ersten Versuch. Im zweiten Experiment wurden die Konditionen der beiden Gruppen umgedreht. Jetzt bekamen auch die früheren Nichtbeobachter die Möglichkeit von einer Demonstration zu lernen. Interessanterweise waren diese Schildkröten auch nach Beobachtung der Demonstrator-Schildkröte nicht dazu fähig das Umweg-Problem zu lösen. Die Erfolgsrate der anderen Gruppe sank ein wenig ab, jedoch statistisch betrachtet nicht signifikant. Im dritten und letzten Experiment erhielten die Beobachter-Tiere des ersten Experiments erneut zwölf weitere Demonstrationen. Ein Vergleich der Erfolgsrate dieser Schildkröten in allen drei Experimenten ergab keinen signifikanten Unterschied. Die Resultate dieser Studie zeigen, dass auch nicht soziale Tiere wie die hier untersuchte tropische Schildkrötenart dazu fähig sind sich von Artgenossen etwas abzuschauen. Es lässt daher vermuten, dass Leben in einer Gruppe keine Voraussetzung für die Fähigkeit sozialen Lernens ist. Die Fähigkeit von Artgenossen zu lernen sollte eher als Teil eines allgemein bestehenden assoziativen Lernsystems angesehen werden.