Abstract (deu)
Genitalstacheln, -haken und dergleichen, die Weibchen während der Kopulation verletzen, sind bei Männchen vieler Tierarten zu finden. Die Funktion solcher Genitalstrukturen und die Kräfte, die zu ihrer Evolution und Beibehaltung führen, werden seit Jahrzenten diskutiert. Der Adeagus von Callosobruchus maculatus (Coleoptera: Bruchidae) beispielsweise ist mit Stacheln versehen, die den weiblichen Geschlechtstrakt durchbohren und Narben hinterlassen. Eine komparative Studie hat gezeigt, dass Männchen mit längeren Genitalstacheln unter Spermienkonkurrenz höhere Befruchtungserfolge erzielen als kurzstachelige Männchen. Auf welche Weise die Stacheln den Befruchtungserfolg erhöhen, blieb allerdings ungeklärt. Im Rahmen meiner Diplomarbeit habe ich zwei Hypothesen über die Funktion der Genitalstacheln untersucht, die Perforierungshypothese und die Ankerhypothese. Die Perforierungshypothese besagt, dass die Genitalstacheln dazu dienen, den weiblichen Geschlechtstrakt zu perforieren, damit mehr Ejakulat der Männchen in die Hämolymphe der Weibchen gelangt. Das ist für die Männchen vorteilhaft, da sich im Ejakulat Substanzen befinden, die das weibliche Verhalten zugunsten der Männchen manipulieren. Obwohl angenommen wird, dass Genitalstacheln bei mehreren Insekten diese Funktion haben, ist diese Diplomarbeit meines Wissens die erste Studie, in der diese Hypothese überprüft wird. Laut der zweiten Hypothese - der Ankerhypothese - dienen die Genitalstacheln als Anker während der Kopulation, um zu verhindern, dass die Weibchen die Kopulation früher beenden, als es für die Männchen optimal ist. Dieser Hypothese zufolge ist zu erwarten, dass langstachelige Männchen länger kopulieren als kurzstachelige Männchen, da sich längere Stacheln effektiver verankern sollten. Um die Perforierungshypothese zu prüfen, wurden lang- und kurzstachelige Männchen mit 14-C markiert und untersucht, ob sich das Ejakulat von langstacheligen Männchen besser im weiblichen Körper ausbreitet. Die Ankerhypothese wurde getestet, indem die Kopulationsdauer von Paaren verglichen wurde, bei denen die Männchen entweder lange oder kurze Genitalstacheln hatten. Zusätzlich wurde überprüft, ob langstachelige Männchen unter Spermienkonkurrenz einen höheren Befruchtungserfolg haben, da in beiden Hypothesen davon ausgegangen wird, dass das so ist. Die lang- und kurzstacheligen Männchen, die in den Versuchen verwendet wurden, wurden mit zwei sich ergänzende Methoden erzeugt. Zum einen wurden Selektionslinien mit langen und kurzen Stacheln gezüchtet, zum anderen wurden Genitalstacheln mit einem Mikrolaser gekürzt, um Männchen mit unterschiedlicher Stachellänge zu erzeugen. Langstachelige Männchen kopulierten nicht länger als kurzstachelige Männchen, daher sprechen die Resultate gegen die Ankerhypothese. Des Weiteren zeigte es sich, dass sich mehr Ejakulat von langstacheligen als von kurzstacheligen Männchen im Körper des Weibchens ausbreitete und dass langstachelige Männchen unter Spermienkonkurrenz einen höheren Prozentsatz von Eizellen befruchteten als kurzstachelige Männchen. Diese Resultate sprechen dafür, dass die Genitalstacheln von C. maculatus die Ausbreitung des Ejakulats im weiblichen Körper fördern, und dass dies langstacheligen Männchen Befruchtungsvorteile verschafft. Die Studie illustriert darüber hinaus, wie sexuelle Selektion - in Form von Spermienkonkurrenz - die Morphologie von männlichen Genitalien beeinflussen kann.