Abstract (deu)
Die Dissertation untersucht die im Rahmen der Fernsehkriminalreihe TATORT zwischen 1992 und 2007 vorgenommene fiktionale Darstellung des Ostens Deutschlands durch den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) daraufhin, wie sich in den 45 Filmen der durch die deutsche Einheit ausgelöste Transformationsprozess eingeschrieben hat. Daran anschließend wird die Darstellung hinsichtlich der in ihr vorgenommenen medialen Inszenierung von ostdeutscher Identität analysiert.
Auf der Grundlage des Modells narrativer Strukturen (Lotman) wird nachgewiesen, dass das untersuchte Datencorpus, die 45 Filme der Jahre 1992-2007, durch Muster des seriellen Erzählens miteinander verknüpft sind, und als Episoden eine in sich geschlossene deutlich strukturierte Erzählung konstituieren.
Der Aufbau der Erzählung orientiert sich an einer Fünf-Akt-Struktur und weist darüber hinaus charakteristische Merkmale einer Ankunftsdramaturgie auf. Die fünf rekonstruierten Phasen der Erzählung (Exposition-Steigerung-Höhepunkt/Umschwung-Retardierung-Neutralisierung) lassen sich sowohl auf der Handlungs- als auch auf der Figurenebene als Stadien eines intendiert erfolgreichen Transformationsprozesses auffassen, der für die Betroffenen mit der Notwendigkeit einer Identitätsneubestimmung einhergeht.
Die ostdeutsche Sendeanstalt MDR als übergeordnete Erzählinstanz vermittelt durch ihre Geschichten und Bilder dem gesamtdeutschen Rezipienten das Thema des Ostens Deutschlands nach der Vereinigung 1990 im Format des Kriminalgenres. Sie greift Traditionsbestände von Alltagskultur auf und knüpft so an Teile der politischen Kultur der DDR an. Sie bedient sich dafür u.a. der Inszenierung ihrer Kommissare als Vertreter einer Gruppe, deren Mitgliedschaftszugehörigkeit sich aus ihrer Sozialisation ergibt. Kollektive Identität bezieht sich auf spezifische Kulturelemente, wie Sprache, weltanschauliche Orientierungen, Werte, Symbole, Lebensstile. Sie äußert sich in der Art und Weise, wie Menschen denken, sowie in der Form der Verankerung ihrer Weltbilder und gesellschaftlichen Konstruktionen.
Die Dissertation versteht sich als ein interdisziplinärer Beitrag zur Erforschung der medialen Konstruktion von sozialer Wirklichkeit im Fernsehen an der Schnittstelle zwischen Unterhaltungskultur und Politik. Unter einer kulturwissenschaftlichen Perspektive verbindet sie erzähltheoretische, sprachwissenschaftliche und filmwissenschaftliche Ansätze.