Abstract (deu)
Innerhalb der Neuen Frauenbewegung der 70er Jahre wurden die Konsequenzen der Vorherrschaft des Patriarchats facettenreich beleuchtet. Unter der Parole "Frauen gemeinsam sind stark" kämpften die Frauen der Neuen Frauenbewegung gegen die männlich dominierte Gesellschaft, die ihnen die Teilnahme an sozioökonomischen und politischen Ressourcen verweigert hatte. Die Werte "Frauensolidarität" und "Schwesterlichkeit" wurden verbreitet. Doch bereits während der feministischen Bewegung entstanden Widersprüche zwischen den Idealen und der tatsächlichen weiblichen Praxis. Die geforderte Solidarität konnte nicht eingehalten werden. In vielen Fällen endeten die Parolen von "Frauensolidarität" und "Schwesterlichkeit" im Schlussakkord: "Frauen gemeinsam sind unerträglich". Diese Entwicklung war umso enttäuschender, weil der patriarchale Gegner gar nicht anwesend war. Innerhalb der feministischen Theorie führte das zu einer Thematisierung der weiblichen sexistischen Sozialisation. Die Herrschaft des Patriarchats reiche weiter, als ursprünglich vermutet, es geht nicht nur um politische und sozioökonomische Macht, auch die Psyche wurde "kolonialisiert", so wurde argumentiert. Janice G. Raymond, eine amerikanische Philosophin, die sich für die vorliegende Arbeit als Schlüsseltheoretikerin erwiesen hat, entwirft innerhalb dieser Situation eine Vision von Frauenfreundschaft, die sich gegen die sexistische Sozialisation von Frauen stellt und gleichzeitig deren Wurzeln untersucht.
Freundschaft ist ein zentraler Begriff in der Philosophie. Allerdings wurde der Begriff der Freundschaft, wie er z.B. bei Aristoteles zu finden ist, ausschließlich auf Männer-freundschaften angewandt. Über Freundschaft zwischen Frauen findet man vergleichsweise wenig. Eine ähnliche Tradition, wie die der Männerfreundschaft scheint es bei Frauen nicht zu geben. Das liegt aber nicht an einer generellen Antipathie zwischen Frauen sondern daran, dass ihre Freundschaften von der patriarchalen Herrschaft unterminiert waren, so Raymond.
Die Methode dieser Arbeit ist die genaue Rezension von Raymonds Buch "Frauenfreundschaft. Philosophie der Zuneigung" und die Herausarbeitung ihrer Patriarchats-kritik. Ihre Thesen, Untersuchungen und Erkenntnisse des Themas sollen im Zuge der Arbeit mit anderen PatriarchatskritikerInnen in Vergleich gesetzt und überprüft werden mit dem Ziel, einen Beitrag zum Verständnis von Janice Raymonds Theorie über Frauenfreundschaft zu leisten und sie als Quelle auch für den europäischen Kontext zugänglich zu machen.