Diese Arbeit untersucht die Bildproduktion des österreichischen Fotografen Rudolf Lehnert in Tunesien in der Zeit von 1904 bis 1914 aus kritisch-kunsthistorischer Sicht. Einem Abriss der Unternehmensgeschichte von Lehnert & Landrock sowie einem Überblick über die Rezeption des Gesamtwerkes folgen eine kurze Darstellung der Konstruktion von „Orient“ und eine Auseinandersetzung mit dem Realitätseffekt fotografischer Bilder im kolonialen Kontext. Auf dieser Basis wurden die Forschungsfragen formuliert, insbesondere Fragen zum historischen Kontext des Werkes, zum Stand der Technik und der Ausbildung des Fotografen, welche sich dieser an der K. k. Graphischen Lehr- und Versuchanstalt aneignen konnte. Weiters sind Fragen zur Kontinuität von Motiven und Strukturen der Orientdarstellung Gegenstand dieser Untersuchung. Anhand eines repräsentationskritischen Ansatzes werden Lehnerts Arbeiten aus dieser Zeit in den Kontext der Geschichte der Kolonisierung Tunesiens und der aufkommenden Tourismusindustrie gestellt. Das von ihm Fotografierte wird kritisch in Bezug zur damaligen Situation vor Ort gesetzt. Es zeigt sich, dass die koloniale Realität zugunsten eines märchenhaft imaginierten „Orients“ in seinen Fotografien konsequent ausgeblendet bleibt. Der nachvollziehbare Einfluss seiner Ausbildung wird anhand seiner Ausbildung und der ihm zur Verfügung stehenden Literatur detailliert nachgezeichnet. Die von ihm verwendete fotografische Positiv- und Negativverarbeitung, sowie sein Herangehen an Landschaftsfotografie oder „akademischen Studien“ lassen sich direkt auf seine Ausbildung zurückführen. Es zeigt sich, dass Rudolf Lehnert unter Anwendung kompromissloser Qualitätsstandards fotografierte. Der damit verbundene beträchtliche Aufwand, der für den Akt des Fotografierens betrieben wurde, bleibt in seinen Repräsentationen des kolonisierten Tunesien jedoch unsichtbar. Die Untersuchung macht deutlich, wie das Unternehmen Lehnert & Landrock im Rahmen der kolonialen Ökonomie mit modernsten Mitteln operierte. Es wird im Detail nachgewiesen, dass sich in der Motivik des Oeuvres deutliche Bezüge zur „Description de l’Egypte“ herstellen lassen. Im Überblick zeigt sich, dass es in der Mehrzahl von westlichen Eingriffen bereinigte Bilder sind, in denen das koloniale Machtgefälle implizit eingeschrieben ist – Vorstellungen vom Gegenteil des Selbstverständnisses eines modernen Europa. Die vorliegende Analyse macht auch klare Anleihen Lehnerts an der Orientmalerei sichtbar, insbesondere bei seinen Haremskonstruktionen und Wüstendarstellungen. In diesem Zusammenhang lässt sich jedoch auch ein Bruch mit den schematischen Wüstendarstellungen früherer Orientmaler feststellen. Abschließend werden die Problematik der standardisierten Visualisierung und jene der medial bedingten soziokulturellen Verschiebung thematisiert. Es wird dargelegt, wie v. a. durch die zahl- und erfolgreich vertriebenen Postkarten des kolonisierten Tunesien die Fotografien des Unternehmens L&L zur Schaffung einer Ersatzwirklichkeit im kolonialen Diskurs beitrugen.
Diese Arbeit untersucht die Bildproduktion des österreichischen Fotografen Rudolf Lehnert in Tunesien in der Zeit von 1904 bis 1914 aus kritisch-kunsthistorischer Sicht. Einem Abriss der Unternehmensgeschichte von Lehnert & Landrock sowie einem Überblick über die Rezeption des Gesamtwerkes folgen eine kurze Darstellung der Konstruktion von „Orient“ und eine Auseinandersetzung mit dem Realitätseffekt fotografischer Bilder im kolonialen Kontext. Auf dieser Basis wurden die Forschungsfragen formuliert, insbesondere Fragen zum historischen Kontext des Werkes, zum Stand der Technik und der Ausbildung des Fotografen, welche sich dieser an der K. k. Graphischen Lehr- und Versuchanstalt aneignen konnte. Weiters sind Fragen zur Kontinuität von Motiven und Strukturen der Orientdarstellung Gegenstand dieser Untersuchung. Anhand eines repräsentationskritischen Ansatzes werden Lehnerts Arbeiten aus dieser Zeit in den Kontext der Geschichte der Kolonisierung Tunesiens und der aufkommenden Tourismusindustrie gestellt. Das von ihm Fotografierte wird kritisch in Bezug zur damaligen Situation vor Ort gesetzt. Es zeigt sich, dass die koloniale Realität zugunsten eines märchenhaft imaginierten „Orients“ in seinen Fotografien konsequent ausgeblendet bleibt. Der nachvollziehbare Einfluss seiner Ausbildung wird anhand seiner Ausbildung und der ihm zur Verfügung stehenden Literatur detailliert nachgezeichnet. Die von ihm verwendete fotografische Positiv- und Negativverarbeitung, sowie sein Herangehen an Landschaftsfotografie oder „akademischen Studien“ lassen sich direkt auf seine Ausbildung zurückführen. Es zeigt sich, dass Rudolf Lehnert unter Anwendung kompromissloser Qualitätsstandards fotografierte. Der damit verbundene beträchtliche Aufwand, der für den Akt des Fotografierens betrieben wurde, bleibt in seinen Repräsentationen des kolonisierten Tunesien jedoch unsichtbar. Die Untersuchung macht deutlich, wie das Unternehmen Lehnert & Landrock im Rahmen der kolonialen Ökonomie mit modernsten Mitteln operierte. Es wird im Detail nachgewiesen, dass sich in der Motivik des Oeuvres deutliche Bezüge zur „Description de l’Egypte“ herstellen lassen. Im Überblick zeigt sich, dass es in der Mehrzahl von westlichen Eingriffen bereinigte Bilder sind, in denen das koloniale Machtgefälle implizit eingeschrieben ist – Vorstellungen vom Gegenteil des Selbstverständnisses eines modernen Europa. Die vorliegende Analyse macht auch klare Anleihen Lehnerts an der Orientmalerei sichtbar, insbesondere bei seinen Haremskonstruktionen und Wüstendarstellungen. In diesem Zusammenhang lässt sich jedoch auch ein Bruch mit den schematischen Wüstendarstellungen früherer Orientmaler feststellen. Abschließend werden die Problematik der standardisierten Visualisierung und jene der medial bedingten soziokulturellen Verschiebung thematisiert. Es wird dargelegt, wie v. a. durch die zahl- und erfolgreich vertriebenen Postkarten des kolonisierten Tunesien die Fotografien des Unternehmens L&L zur Schaffung einer Ersatzwirklichkeit im kolonialen Diskurs beitrugen.