Abstract (deu)
Meine Arbeit befasst sich mit der Literarisierung von Verfolgungserlebnissen bei Edgar Hilsenrath. Dabei untersuche ich die beiden ersten Romane Hilsenraths Nacht und Der Nazi & der Friseur insbesondere nach Fragen zur Identität. Hilsenrath selbst ist jüdischer Herkunft und war von 1941-1944 in einem rumänischen Ghetto interniert. Nach seiner Befreiung schreibt er sein Erstlingswerk Nacht, ein Ghettoroman der seine Erfahrungen fiktiv verarbeitet. Er beschreibt darin wie die Menschen stückchenweise ihre Identität, die an ihre Herkunft und ihr soziales Umfeld gekoppelt war, verlieren. Die Menschen vertieren zunehmend und werden um zu Überleben zu Tätern. Die Regeln des Ghettos verdrängen ehemals verbindliche Werte des Zusammenlebens. Ausnahmen bilden eine Handvoll Personen.
In Der Nazi & der Friseur liegt die Brisanz in der Täterperspektive unter Annahme einer Opferidentität. Der nationalsozialistische Massenmörder Max Schulz, schlüpft nach dem Krieg in die Haut seines toten jüdischen Freundes Itzig Finkelstein und gründet in Israel eine neue Existenz. Hilsenrath beschreibt die strukturellen Bedingungen auf deren Grundlage Faschismus, Rassismus und Gewalt gedeihen und deren Zusammenhang mit der Identität. Beide Romane verweigern weitestgehend eine Erklärung für die Ereignisse. Hilsenrath stattet seine handelnden Figuren egal ob es sich in erster Linie um Opfer oder Täter handelt mit ambivalenten Zügen aus. Er zeigt, dass rassistische Tendenzen bei allen Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft zu finden sind. Die Frage nach der Schuld gestaltet sich vielschichtig wie Hilsenrath anhand der Kategorien Opfer und Täter, die sich häufig überlappen transparent macht.
Mit seinen ersten beiden Romanen Nacht und Der Nazi & der Friseur stößt Hilsenrath vor allem innerhalb der deutschen Bevölkerung auf Ablehnung und Unverständnis. Er bricht, durch seine provokative Darstellung der Juden, mit dem in Deutschland üblich gewordenen Nachkriegsphilosemitismus aber auch mit der Tradition innerhalb der Literatur dem Geschehenen nachträglich einen Sinn zu verleihen.