Abstract (deu)
Der Hauptgegenstand der vorliegenden Arbeit war die Untersuchung der ToM im Rahmen der Bewältigung EMS-ähnlicher Aufgaben in Abhängigkeit von dem Phänomen Stereotype Threat, dem Risikoverhalten und dem Geschlecht unter Berücksichtigung diesbezüglicher geschlechtsspezifischer Unterschiede. Diese empirische Arbeit stellt einen spezifischen Teil im Rahmen einer größer angelegten Studie dar, die von den StudentInnen Gabriele Hangl, Helene Lagger, Silvia Hameseder, Anita Teufl und Katrin Anzirk durchgeführt wurde. Im Zuge dieser Untersuchung behandelte jede der Kolleginnen einen anderen thematischen Schwerpunkt.
Das Anliegen dieser Diplomarbeit war es mögliche Zusammenhänge zwischen dem Bewältigen der ToM-Aufgaben, Stereotype Threat und dem Risikoverhalten abzuleiten und potenzielle wechselseitige Einflüsse dieser Konstrukte unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede zu untersuchen.
Bisherige Befunde aus der Literatur belegen, dass Frauen und Mädchen eine besser ausgeprägte ToM, die Kernkompetenzen wie zum Beispiel soziale Kognition, soziale Kompetenz, Perspektivenübernahme, Empathiefähigkeit und kognitive Flexibilität beinhaltet, aufweisen als Männer. Frauen und Mädchen sind sozial kompetenter und empathischer und werden auch als solches eingeschätzt (Bosacki et al., 1999, Baron-Cohen & Wheelwright, 2004; Walker, 2005). Des Weiteren zeigen Forschungsergebnisse, das Mädchen in false-belief-Aufgaben, die zur Überprüfung der ToM-Fähigkeiten, basierend auf dem Konzept der Repräsentation falscher Überzeugungen eingesetzt werden, besser abschneiden als Burschen (Cutting & Dunn, 1999, Charman et al. 2002, Wellmann et al., 2001).
Es zeigte sich jedoch, dass die drei für diese empirische Arbeit relevanten und interessierenden Konstrukte der ToM, des Phänomens Stereotype Threat und des Risikoverhaltens unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede in der Literatur in diesem Zusammenhang bis dato noch nicht untersucht worden. sind. Diesbezüglich gibt zwar Forschungsergebnisse, die belegen, dass Stereotype Threat ein Verharren in ineffizienten Problemlösestrategien begünstigt und dazu führen kann, dass die betroffene Person eine vorsichtigere und bewahrende Haltung einnimmt, die zu risikoscheuem und risikoaversivem Verhalten führt, jedoch nicht unter Einbezug der ToM (Carr & Steele, 2009).
Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurden insgesamt 1093 SchülerInnen (409 Burschen, 684 Mädchen) der 12. Schulstufe in Gymnasien in Wien, Niederösterreich und Burgenland getestet. Die UntersuchungsteilnehmerInnen waren zum Erhebungszeitpunkt im Mittel 17,57 Jahre alt. 17,5 % der getesteten SchülerInnen gaben an, ein späteres Medizinstudium anzustreben, während der Großteil mit 82,5% der UntersuchungsteilnehmerInnen diesbezüglich keinen Wunsch äußerte. Die Testung dauerte insgesamt 100 Minuten, in denen den SchülerInnen, die auf vier Stereotype Threat-Bedingungen und drei Risikobedingungen aufgeteilt wurden, sechs EMS-ähnliche Aufgabenblöcke mit begrenzter Bearbeitungszeit, ToM-Aufgaben, das Leistungsmotivationsinventar, die Skala zur Erfassung der Allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung und ein Computertest, der Game of Dice Task (GDT) vorgegeben wurden.
Die Ergebnisse zeigen, dass ein signifikanter Unterschied im Bewältigen der ToM-Aufgaben in Abhängigkeit vom Geschlecht festgestellt werden konnte (H1(1)). Mädchen erreichten höhere Werte in den ToM-Aufgaben als ihre männlichen Schulkollegen. Des Weiteren konnte ein signifikanter Unterschied in der ToM in Abhängigkeit von den vier Stereotype Threat-Bedingungen angenommen werden (H1(3)). Die genauere Betrachtung des Unterschieds mittels Post-hoc-Tests nach Bonferroni ergaben jedoch keine signifikanten Ergebnisse für die paarweisen Vergleiche. In Bezug auf das Risikoverhalten konnte kein signifikanter Unterschied im Bewältigen der ToM festgestellt werden (H1(2)).
Es konnte jedoch eine signifikante Wechselwirkung in der ToM in Abhängigkeit vom Geschlecht und den vier Stereotype Threat-Bedingungen angenommen werden (H1(4)). Diesbezüglich zeigte sich, dass Burschen in den Bedingungen Aktivierung, Neutral und Negativ-Aktivierung schlechter in dern ToM-Aufgaben abschnitten als die Gruppe der Mädchen. Diese Niveauunterschiede verschwanden jedoch in der Aufklärungsbedingung, in der die TestteilnehmerInnen über das Phänomen aufgeklärt wurden. Mädchen erzielten die relativ höchsten Werte in der Neutral-Bedingung, erreichten jedoch durchwegs homogen in allen Stereotype Threat-Bedingungen höhere ToM-Werte als ihre männlichen Schulkollegen. In Bezug auf das Risikoverhaltens und das Geschlecht konnte keine signifikante Wechselwirkung nachgewiesen werden (H1(5)). Des Weiteren konnte auch keine signifikante Wechselwirkung in der ToM in Abhängigkeit von den Stereotype Threat-Bedingungen und dem Risikoverhalten festgestellt werden (H1(6)). Darüber hinaus fiel das Ergebnis für die Interaktion höherer Ordnung in der ToM in Abhängigkeit vom Geschlecht, den Stereotype Threat-Bedingungen und dem Risikoverhalten nicht signifikant aus (H1(7)).
Hinsichtlich der Untersuchung des Zusammenhanges zwischen der ToM und dem Abschneiden in den sechs EMS-Untertests konnten sehr niedrige, positive signifikante Unterschiede festgestellt werden (H1(8-14)). Es kann angenommen werden, dass höhere Werte in den ToM-Aufgaben auch mit höheren Werten in den einzelnen sechs EMS-Untertests einhergehen. Zusätzlich konnten vier Untertests (Schlauchfiguren, Medizinisch-naturwissenschaftliches Grundverständnis, Firguren und Fakten lernen) mit Erklärungswert an der ToM identifiziert werden, wobei bei genauerer Betrachtung der Untertest Schlauchfiguren den bedeutendsten Anteil an der Prognosefähigkeit aufweist.
Die Prüfung der Nebenhypothesen zur ToM ergab für den Unterschied in der ToM in Abhängigkeit von dem Wunsch, Medizin zu studieren kein signifikantes Ergebnis (H1(15)). Es konnte jedoch eine signifikante Interaktion in der ToM in Abhängigkeit vom Geschlecht und dem Wunsch, Medizin zu studieren festgestellt werden (H1(16)). Diesbezüglich zeigten die paarweisen Vergleiche ein signifikantes Ergebnis für die Gruppe ohne Wunsch, Medizin zu studieren. Innerhalb dieser Gruppe erzielten die Mädchen höhere Werte in der ToM als die Burschen. In Bezug auf die Gruppe Wunsch, Medizin zu studieren konnte kein signifikantes Ergebnis nachgewiesen werden.
Des Weiteren konnte ein signifikanter Unterschied in der Risikobereitschaft, operationalisiert durch den GDT, in den instruierten Risikobedingungen festgestellt werden (H1(17)). Die genauere Betrachtung der Unterschiede weist auf signifikante Unterschiede zwischen der Rateinstruktion und ohne Instruktion und den Bedingungen Raten und Sicher hin. Hinsichtlich den Bedingungen ohne Instruktion und Sicher konnten keine signifikanten Ergebnisse festgestellt werden. Bezüglich des Geschlechts konnte eine Tendenz, aber kein signifikantes Ergebnis festgestellt werden (H1(18)). Es kann somit kein Unterschied in der Risikobereitschaft in Abhängigkeit vom Geschlecht und der Risikoinstruktion angenommen werden. Darüber hinaus konnte keine signifikante Interaktion in der Risikobereitschaft in Abhängigkeit vom Geschlecht und der Risikoinstruktion beobachtet werden (H1(19). In der Rateinstruktion zeigte sich im Vergleich zu den anderen Bedingungen der niedrigste Mittelwert, was als Hinweis auf risikoreiches und risikofreudiges Entscheidungsverhalten gewertet werden kann, da im Rahmen des GDT niedrige Werte für risikoreiches Verhalten stehen.