Abstract (deu)
Unter Antizipation versteht man die Vorwegnahme eines oder mehrerer Elemente durch die DolmetscherIn, vor der tatsächlichen Artikulation im Original. Damit es dazu kommt, laufen verschiedene Verständnis- und Analyseprozesse ab, die eine Hypothese über den weiteren Verlauf der Rede zulassen.
Ziel der vorliegenden Masterarbeit war es, im Rahmen eines Experiments herauszufinden, wie oft und korrekt sich Italienisch- und Deutsch-MuttersprachlerInnen beim Simultandolmetschen aus dem Deutschen für die Strategie der Antizipation entscheiden. Die Hypothesen, die es galt zu überprüfen, besagen, dass die Antizipationsfrequenz bei MuttersprachlerInnen des Deutschen höher ist und bei DolmetschstudentInnen mit mehr Erfahrung ansteigt. Des Weiteren galt es den Verlauf der Antizipationsaktivität zu untersuchen, bei dem angenommen wurde, dass er im Laufe der Rede ansteigt.
In der Literatur geht man davon aus, dass MuttersprachlerInnen beim Dolmetschen in ihre B-Sprache einen gewissen Vorteil mitbringen, da sie beim Dekodieren von Struktur, Idiomatik und Grammatik weniger Aufmerksamkeit brauchen und den Sinn somit schneller erfassen können. Es wird ebenso belegt, dass sich professionelle DolmetscherInnen mehr vom Wort lösen und somit leichter und konstanter antizipieren. Die empirischen Beiträge mit professionellen DolmetscherInnen und teilweise mit AbsolventInnen und Studierenden belegen diese Aussagen.
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie widerlegen diese Thesen und deuten darauf hin, dass die Antizipation eine höchst individuelle Form des strategischen Dolmetschens darstellt.